Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung übergegangener Kostenerstattungsansprüche durch die Justizkasse bei allseitiger ratenfreier PKH-Bewilligung
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt worden ist, kann die Justizkasse den auf sie übergegangenen Kostenerstattungsanspruch des der obsiegenden Partei beigeordneten Rechtsanwalts gegen die erstattungspflichtige, in die Kosten des Rechtsstreits verurteilte Gegenpartei geltend machen.
Normenkette
GKG § 66; RVG § 59 Abs. 1-2; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1b, § 123
Verfahrensgang
AG Kaiserslautern (Beschluss vom 11.04.2008; Aktenzeichen 4 F 342/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 59 Abs. 2 RVG, 66 Abs. 2 GKG statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.
2. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Die Klägerin wendet sich ohne Erfolg gegen eine Inanspruchnahme durch die Landesjustizkasse wegen der Vergütung des Beklagtenvertreters.
a) Dem Prozessbevollmächtigten, der dem Beklagten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet war, steht wegen seiner Vergütung ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte, die in die Kosten des Rechtsstreits verurteilt wurde, zu.
Dieser Anspruch ist i.H.v. 719,95 EUR nach § 59 Abs. 1 RVG durch Festsetzung der Vergütung und Auszahlung an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf die Landeskasse übergegangen.
b) Die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe auch für die Klägerin steht deren Inanspruchnahme wegen der Kosten des Beklagtenvertreters nicht entgegen.
Zwar bewirkt nach § 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anderen, dass die Landeskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann.
Es ist weiterhin umstritten, ob diese Wirkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur die Gebührenansprüche der eigenen Rechtsanwälte der Partei betrifft (so insb. BGH FamRZ 1997, 1141; OLG Köln FamRZ 2004, 37; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 202; OLG Nürnberg FamRZ 2008, 803; OLG Koblenz FamRZ 2008, 805; MünchKomm/Motzer, ZPO, 3. Aufl., § 123 Rz. 1 und § 123 Rz. 13; Zimmermann, Prozesskostenhilfe, 3. Aufl. Rz. 544). Nach anderer Ansicht (OLG München FamRZ 2001, 1156; Musielak/Fischer, ZPO, 6. Aufl., § 123 Rz. 5; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 122 Rz. 6; Fischer, in JurBüro 1998, 622; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 59 Rz. 17; so auch noch OLG Zweibrücken, 7. OLG Zweibrücken Rpfleger 1989, 114) soll diese Bestimmung auch auf die auf die Staatskasse übergegangenen Gebührenansprüche der Gegenpartei Anwendung finden.
Die am Wortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte orientierte Auslegung von § 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO ergibt für die Entscheidung dieser Streitfrage keinen eindeutigen Befund (vgl. dazu insb. BGH, a.a.O.; Fischer, a.a.O.).
Es ist Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, einer bedürftigen Partei durch vollständige oder weitgehende Freistellung von Gerichtskosten und eigenen Verfahrenskosten die Verfolgung eigener oder die Abwehr fremder Rechte zu ermöglichen. Die im Prozess unterlegene Partei wird dagegen vor den Folgen weder der Haupt-sache- noch der Nebenentscheidungen im Rahmen des Prozesskostenhilferechts geschützt. Die Verpflichtung, im Fall des Unterliegens auch nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Gegner die entstandenen Kosten erstatten zu müssen, ergibt sich ausdrücklich aus § 123 ZPO.
3. Das Beschwerdeverfahren ist entsprechend § 66 Abs. 8 GKG gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach §§ 59 Abs. 2 RVG, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ausgeschlossen.
Fundstellen
FamRZ 2008, 2140 |
MDR 2008, 1245 |
RVGreport 2008, 278 |
OLGR-West 2008, 658 |