Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung eines mit einem standardisierten Messverfahren gewonnenen Geschwindigkeitswertes.

 

Verfahrensgang

AG Kusel (Entscheidung vom 27.02.2020; Aktenzeichen 1 OWi 6070 Js 12006/19)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kusel vom 27. Februar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die selbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
 

Gründe

Das Amtsgericht hat die Betroffene auf deren rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 21. März 2019 (Az.: 07.2500916.0) mit Urteil vom 27. Februar 2020 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geldbuße von 120 EUR belegt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt die Betroffene, die bereits mit am 5. Oktober 2018 rechtskräftig gewordener Entscheidung wegen einer Geschwindigkeitsübertretung um 29 km/h sanktioniert worden war, am 18. Februar 2019 um 22:41 Uhr als Fahrerin eines PKWs auf der BAB 62 in Fahrtrichtung Trier im Bereich Quirnbach die dort mittels Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h - nach Abzug einer Toleranz - um 31 km/h.

II.

Das Urteil hat keinen Bestand, weil die schriftlichen Urteilsgründe durchgreifende Darstellungsmängel enthalten (§ 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).

1.

Nach der Urteilsurkunde hat sich der Verteidiger der Betroffenen in der Hauptverhandlung gegen die Richtigkeit des dem Bußgeldbescheid zugrunde gelegten, mit einem Gerät der Baureihe Vitronic PoliScan FM1 gemessenen Geschwindigkeitswerts gewandt. Insoweit hat er unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten u.a. geltend gemacht, dass "im Erfassungsbereich Betonabweiser mit Reflektoren zu sehen seien, die Gebrauchsanweisung des Herstellers jedoch vorschreibe, dass Hindernisse im Erfassungsbereich zu vermeiden seien. Auch seien in der gesamten Messreiche gravierende Y1/Y2- Auffälligkeiten (unterschiedliche Positionsdaten) vorhanden" (UA S. 6). Diesen Einwand hat das Amtsgericht mit folgender Begründung für nicht durchgreifend gehalten:

"In dem [gemeint: "Das"] vom Gericht eingeholte[n] Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. ... kommt nicht zu dem Ergebnis, dass die Messung fehlerhaft sei und eine unzutreffende Geschwindigkeit dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt.

Insbesondere wird nicht festgestellt, dass durch den Reflektor am Betonabweiser die Messwertbildung fehlerhaft war.

Gleiches gilt für die vom Sachverständigen Dr. ... festgestellten unterschiedlichen Positionsdaten Y1/Y2.

Dass eine solche Möglichkeit bestehen kann, reicht nicht aus, die Messung als fehlerhaft einzustufen. Es handelt sich vorliegend um ein standardisiertes Messverfahren."

2.

Zwar entspricht es der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der Tatrichter die Zuverlässigkeit eines anerkannten und standardisierten Messverfahrens nur dann näher überprüfen und diese Prüfung in den Urteilsgründen darstellen muss, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen (BGH, Beschlüsse vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 300 f. und vom 30.10.1997 - 4 StR 24/97, juris Rn. 26 = BGHSt 43, 277). Auch erfüllt das vorliegend eingesetzte Messgerät, sofern geeicht und von geschultem Personal entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt, grundsätzlich die Anforderungen an eine standardisierte Messung (Senat, Beschluss vom 11.02.2020 - 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris Rn. 8). Ergeben sich aber konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Messung und holt der Tatrichter deshalb - wie hier offenkundig der Fall - ein Sachverständigengutachten ein, so muss er die Ausführungen des Sachverständigen in einer - wenn auch gerade in Bußgeldsachen nur gedrängt - zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wenigstens insoweit in den schriftlichen Urteilsgründen wiedergeben, als dies zum Verständnis von dessen Inhalt und Ergebnissen erforderlich ist. Denn nur dies ermöglicht dem Rechtsbeschwerdegericht, dem der Akteninhalt und das darin befindliche schriftliche Sachverständigengutachten nicht offenstehen, die Prüfung, ob der Tatrichter die Zuverlässigkeit der Messung trotz der Auffälligkeiten, die ihn zur Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlasst haben, ohne Rechtsfehler bejaht hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 8; KG Berlin, Beschluss vom 13.02.2017 - 3 Ws (B) 23/17, juris Rn. 11; OLG Bamberg, Beschluss vom 06.10.2017 - 3 Ss OWi 1420/17, juris Rn. 6 jew. m.w.N.)

3.

Diesen Anforderungen ...

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