Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Insolvenzverwalter eine Vielzahl gleichartiger Zivilprozesse an verschiedenen Gerichtsorten, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet zu führen (hier: Klagen gegen weit über 100 Kommanditisten), kann es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sein, einen einzigen Rechtsanwalt mit der Bearbeitung aller dieser Verfahren zu betrauen mit der Folge, dass hierdurch anfallende Reisekosten von der unterlegenen Gegenpartei zu erstatten sind.

2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 28.04.2016; Aktenzeichen 8 O 142/15)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.02.2018; Aktenzeichen II ZB 23/16)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Frankenthai (Pfalz) vom 28.4.2016 geändert:

Die nach dem Anerkenntnisurteil des LG Frankenthai (Pfalz) vom 27.1.2016 von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.378,79 EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 308,79 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Klägervertreters. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. GmbH & Co, KG die als Publikums-KG organisiert ist. Er wurde im hiesigen Verfahren vertreten durch eine in Berlin und S. ansässige Rechtsanwaltskanzlei. Der Beklagte hatte als Kommanditist der vorgenannten Insolvenzschuldnerin eine Einlageverpflichtung in Höhe von 60.000,00 DM übernommen. Im hiesigen Verfahren nahm der Kläger den Beklagten in Höhe von 5.427,10 EUR in Haftung und begründete dies damit, dass die in den Jahren 1999, 2005 und 2006 erfolgten Ausschüttungen an den Beklagten gem. § 172 Abs. 4 Abs. 2 HGB eine teilweise Rückgewähr der Kommanditeinlage darstellten. Zu der mündlichen Verhandlung des LG Frankenthai vom 15.1.2015 reiste der Klägervertreter aus Berlin an. Nachdem in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Parteien ein Wechsel ins schriftliche Verfahren erfolgte, erkannte der Beklagte die Klageforderung an. Das LG erlegte dem Beklagten mit Anerkenntnisurteil vom 27.1.2016 die Kosten des Rechtsstreits auf.

Im Kostenfestsetzungsverfahren verlangte der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger die Festsetzung zu erstattender Kosten in Höhe von 1.939,41 EUR (Bl. 173 ff. d.A.). Hierin sind neben weiteren Positionen Taxi-, Bahn- und Flugkosten gem. Nr. 7004 VV RVG in Höhe von 195,06 EUR, Tage-und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG in Höhe von 40,00 EUR sowie Übernachtungskosten (1/2) gem. Nr. 7006 W RVG in Höhe von 73,73 EUR, mithin Anreise- und Übernachtungskosten in Höhe von insgesamt 308,79 EUR enthalten. Da der Kläger am Folgetag einen Gerichtstermin vor dem LG Mainz wahrgenommen hatte, brachte er die Übernachtungskosten sowie die Kosten der Flugreise von Berlin nach Frankfurt am Main sowie das Bahnticket für die Fahrt von Frankenthai nach Mainz nur hälftig in Ansatz. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Schriftsätze vom 02.02.2016 (Bl. 173 ff. d.A.) und vom 16.08.2016 (Bl. 250 ff. d.A.).

Die Rechtspflegerin des LG setzte die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 28.4.2016 auf 1.070,00 EUR fest. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstattungsfähig, da es dem Insolvenzverwalter zuzumuten sei, einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen. Darüber hinaus brachte sie Gerichtskosten nur in Höhe von 165,00 EUR in Ansatz und hielt die geltend gemachte Mehrwertsteuer aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers für nicht erstattungsfähig.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Kläger die Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 308,79 EUR netto weiter. Er trägt vor, der Kläger habe im Rahmen des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen eine Vielzahl von Gesellschaftern im gesamten Bundesgebiet geltend zu machen. Wenn der Kläger in jedem Fall einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen würde, wäre die Rechtsverfolgung erheblich erschwert.

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung der Rechtspflegerin und trägt vor, der Kläger sei als Rechtsanwalt in der Lage gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Gerichfurt sachgerecht zu informieren. Überdies lasse die Angelegenheit keinen Raum für besondere fachliche und juristische Spezialkenntnisse.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 568 Satz ZPO in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist begründet. Die geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1. Dabei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die ...

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