Leitsatz (amtlich)
1. In der testamentarischen Erb- bzw. Ersatzerbeneinsetzung anderer Personen ist jedenfalls dann unzweifelhaft die Enterbung des Sohnes des Erblassers zu sehen, wenn dieser bereits nach seiner vorverstorbenen Mutter den Pflichtteil geltend gemacht hatte und in dem Testament des Erblassers inhaltlich auf eine Pflichtteilsstrafklausel aus einem mit der Mutter (Ehefrau des Erblassers) geschlossenen Erbvertrag Bezug genommen wird.
2. Die Einsetzung der Lebensgefährtin als Ersatzerbin stellt ohne Hinzutreten weiterer in der testamentarischen Verfügung angedeuteter Umstände keinen ausreichenden Anhalt dafür dar, dass bei einem Vorversterben der Lebensgefährtin deren noch lebende Abkömmlinge zur Ersatz-Ersatzerben berufen sind; die Regelung des § 2069 BGB ist auf solche Fälle jedenfalls nicht (entsprechend) anwendbar.
Verfahrensgang
AG Kusel (Beschluss vom 13.04.2023; Aktenzeichen 1 VI 172/22) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Kusel vom 13.04.2023 abgeändert wie folgt:
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) vom 17.11.2022 wird zurückgewiesen.
II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das vorliegende Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.
Gründe
I. Der am 31.01.2022 in B. verstorbene Erblasser war verheiratet gewesen mit der bereits am 19.05.1997 vorverstorbenen O.H. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich der am 17.09.1965 geborenen Beteiligte zu 1) sowie die am 19.08.1964 geborene C.H..
Die Eheleute H. hatten unter dem 15.09.1989 bei dem Notar B. in K. einen Erbvertrag geschlossen (URNr. ...), in dem die Ehegatten die folgende Regelung getroffen haben:
"§ 2 Wir setzen uns gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben ein.
Verlangt ein Kind bei Tod des Erstverstrebenden von uns dem Pflichtteil, so erhält es auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil.
Der Längstlebende bleibt berechtigt, über unser Vermögen frei unter Lebenden oder von Todes wegen zu verfügen.
..."
Der Erblasser lebte später mit einer Lebensgefährtin zusammen, nämlich Frau S.W., die aber ebenfalls vor dem Erblasser (am 27.10.2021) verstorben ist. Die Beteiligte zu 2) ist eine Enkelin der Lebensgefährtin.
Nachdem der Erblasser bereits unter dem 28.03.2016 seiner Lebensgefährtin eine privatschriftliche Kontovollmacht erteilt hatte, errichtete er unter dem 01.07.2018 ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:
"Mein Testament
Ich setze meine Tochter C.H. als alleinige Erbin ein. Da mein Sohn S. das Pflichtteil seiner Mutter ausgezahlt bekommen hat, geht mein Erbe an C.. Meine Lebensgefährtin S.W. erhält, wenn meine Tochter das Erbe ausschlagen sollte, meinen ganzen Besitz
K., den 1.7.2018
(Unterschrift: K.H.)"
Ebenfalls unter dem 01.07.2018 erteilte der Erblasser seiner Lebensgefährtin eine weitere Vollmacht.
Nach dem Tod des Erblassers lieferte die Beteiligte zu 2) das o.g. Testament beim Nachlassgericht ab.
Das Nachlassgericht eröffnete im Anschluss daran das vorgenannte Testament vom 04.04.2022 (Bl. 10 d.A.) und übersandte Kopien des Testaments an die beiden Kinder des Erblassers.
Nach Erhalt der Mitteilung und des Testaments erklärte die Tochter C.H. unter dem 28.04. 2022 zu Protokoll des Nachlassgerichts, dass sie die Erbschaft aus allen möglichen Berufungsgründen ausschlage.
Daraufhin ordnete das Nachlassgericht mit Beschluss vom 03.05.2022 eine Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 3) zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Erblassers mit den Wirkungskreisen
- Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie
- Ermittlung der Erben,
da zum Nachlass auch Grundbesitz in K. gehört.
Der Beteiligte zu 3) wurde sodann unter dem 23.06.2022 als Nachlasspfleger verpflichtet und erstattete unter dem 02.09.2022 einen "Übernahmebericht", in dem er die Ansicht vertrat, das Testament des Erblassers vom 01.07.2018 könne im Wege der ergänzenden Auslegung dahingehend ausgelegt werden, dass der Erblasser für den Fall, dass er daran gedacht hätte, dass die Lebensgefährtin vor ihm versterben könnte, deren Enkelin, die Beteiligte zu 2), zu seiner weiteren Ersatzerbin eingesetzt hätte.
Die Beteiligte zu 2) stellte daraufhin unter dem 17.11.2022 zu Protokoll des Nachlassgerichts einen Erbscheinsantrag, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisen sollte. Sie vertrat aufgrund der Umstände, dass die in dem Testament vom 01.07.2018 als Alleinerbin eingesetzte Tochter C.H. die Erbschaft ausgeschlagen und auch keine Abkömmlinge hat und die ausdrücklich als Ersatzerbin benannte Lebensgefährtin S.W. vorverstorben ist, die Ansicht, dass diese beiden nicht Erben geworden seien. Das Testament könne und müsse aber dahingehend ausgelegt werden, dass der Erblasser auf jeden Fall seinen Sohn habe enterben wollen, da dieser "das Pflichtteil seiner Mutter ausgezahlt bekommen" habe. Als Erben kämen daher die Abkömmlinge der Lebensgefährtin des Erblassers in Betracht. Da ihre Mutter ebenfalls bereits verstorben sei...