Leitsatz (amtlich)

1. Die RL 2007/46/EG dient nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen PKW, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche bestehen insoweit nicht

2. Bei einer Entscheidung über derartige unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche liegen keine Gründe für eine der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entgegenstehende Zulassung der Revision vor.

 

Normenkette

BGB § 839; Richtlinie 2007/46/EG; ZPO § 522 II, § 543 II

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 3 O 249/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 08.10.2020, Aktenzeichen 3 O 249/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 08.10.2020 und für das Berufungsverfahren auf jeweils bis zu 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung einer auf mangelhafte Umsetzung europarechtlicher Vorgaben gestützten Schadensersatzpflicht der Beklagten, wegen eines im Dezember 2014 von dem Kläger zu einem Kaufpreis in Höhe von 14.250,00 EUR gebraucht erworbenen VW Golf mit einer Laufleistung von 35.500 km, dessen Motor von dem sogenannten "VW-Dieselabgasskandal" betroffen war.

Den Hersteller des Fahrzeugs hat der Kläger in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz), Aktenzeichen 2 O 40/19, auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich dieses Fahrzeugs in Anspruch genommen. Diese Klage hat der Kläger letztlich auf Basis eines Vergleichs zurückgenommen.

Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet,

bei dem PKW seien wegen des herstellerseits aufgespielten Softwareupdate ein höherer Verbrauch, Leistungseinbußen sowie eine geringere Dauer der Haltbarkeit gegeben. Zudem sei angesichts des Dieselskandals ein Minderwert von mindestens 10 % gegeben. Ferner seien Steuernachforderungen zu besorgen. Die Beklagte habe es versäumt, wirksame und abschreckende Sanktionen im Sinne von Art. 46 RL 46/2007 EG zu etablieren. Sie hätte die Typengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilen dürfen, die Übereinstimmung der hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ habe sie nicht hinreichend geprüft. Da es lange vor dem eigentlichen Bekanntwerden des Skandals gewichtige Anhaltspunkte für Manipulationen gegeben habe, hätte sie diesen Hinweisen nachgehen müssen. Die einschlägigen europarechtlichen Vorschriften erachtet der Kläger als individualschützend.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei bezüglich des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN .... die Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen,

a) dass es die Beklagtenpartei unterlassen hat, aufgrund Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen und dass die Beklagtenpartei leichtfertig die Erteilung der Typengenehmigung vom 03.02.2011 mit der EG-Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 zugelassen und das entsprechende Verfahren unzureichend überwacht hat.

b) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei die Typengenehmigung vom 21.04.2009 mit der Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 erteilt hat.

c) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei entgegen Art. 46 der Richtlinie 46/2007 für Verstöße gegen diese Richtlinie keine wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorsieht.

d) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei es unterlassen hat, das Typengenehmigungsverfahren mit der EG-Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 ausreichend zu überwachen.

2. Hilfsweise: es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für die Schäden, die ihr aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN .... entstehen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat den Klageabweisungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass das Typengenehmigungsrecht nicht dafür bestimmt sei, die Käufer von Fahrzeugen vor Vermögensschäden zu schützen. Der Beklagten könne zudem keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist dabei von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, hat den von dem Kläger verfolgten Anspruch aber als nicht gegeben angesehen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch ausscheide, da die klägerseits angeführten Vorschriften der Art. 8, 12 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG nicht dem Schutz des Einzelnen dienten, sondern nur dem Allgemeininteresse. Auch fehle es an einem erforderlichen qualifizierten Verstoß gegen unionsrechtliche Vorschriften. Ein Amtshaftungsanspruch scheitere schon daran, dass mit der Haftung der Herstellerin gemäß § 826 BGB eine ...

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