Leitsatz (amtlich)
1. Die RL 2007/46/EG dient nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen PKW und kann daher nicht Grundlage eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs sein.
2. Das Fehlen des von § 256 ZPO geforderten rechtlichen Interesses hindert das Gericht bei feststehender Unbegründetheit der Klage nicht daran, ein Sachurteil zu erlassen, da kein sachlicher Grund gegeben ist, der klagenden Partei die Möglichkeit einer erneuten Prozessführung mit einem bezifferten Antrag zu eröffnen.
Normenkette
BGB § 839; Richtlinie 2007/46/EG; ZPO § 522 II, § 254
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 3 O 249/19) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 08.10.2020, Az. 3 O 249/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet, weil die Klage bereits unzulässig ist und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens auch in der Sache keinen Erfolg haben kann. Die gegen das landgerichtliche Urteil vorgebrachten Berufungsangriffe rechtfertigen keine abändernde Entscheidung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist.
Gründe
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es schon an dem für die Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO.
Der Kläger hat insoweit nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass einem seiner Rechte oder seiner Rechtslage im Verhältnis zur Beklagten ohne die Feststellung eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht (so zutreffend OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.10.2020, Az. 6 U 4/20 -unveröffentlicht). Der Sachverhalt befindet sich auch - anders als von dem Kläger behauptet und von dem Landgericht angenommen - nicht mehr in einer Phase der unsicheren Schadensentwicklung. Denn die Klägerpartei hat nicht schlüssig dargelegt, wodurch nach der dargelegten Sachlage noch ein Schaden entstehen könnte, der die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte zu rechtfertigen geeignet wäre. Das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse kann nicht auf einen Schaden gestützt werden, der der Beklagten nicht zuzurechnen ist. Insofern reicht es nicht, wenn die Klägerpartei auf die Denkmöglichkeit einer steuerrechtlichen individuellen Nachveranlagung verweist, für die es keine Rechtsgrundlage gibt, weil sich die Feststellung der Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer nicht nach individuellen Kriterien richtet und für die betroffenen Fahrzeuge keine neue Typengenehmigungen mit geänderten Emissionsangaben erteilt wurden (so auch OLG München, Beschl. v. 05.11.2020, Az. 1 U 3827/20 -unveröffentlicht). Es reicht auch nicht, wenn auf einen Schaden verwiesen wird, welcher der Beklagten nicht zurechenbar ist, weil er außerhalb des Zurechnungszusammenhangs der Haftungsnorm steht. Nicht zurechenbar ist der Beklagten daher der angeblich höhere Kraftstoffverbrauch, der nach dem Vorbringen der Klägerpartei nach dem Aufspielen des Software-Updates entstehen soll.
Soweit das Feststellungsinteresse auf einen etwaigen merkantilen Minderwert gestützt ist, könnte dieser beziffert werden. Insofern fehlt das Feststellungsinteresse deshalb, weil die Klägerpartei ihr Leistungsziel bereits genau benennen kann (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2020, Az. 7 U 50/20 - juris; OLG München, Beschl. v. 17.12.2020, Az. 1 U 3855/20 -unveröffentlicht). Abgesehen davon kann der merkantile Minderwert nicht der Beklagten gegenüber geltend gemacht werden, wenn dieser als Schadensposition im Wege eines mit der Herstellerin abgeschlossenen Vergleichs als abgegolten anzusehen ist.
Die Feststellungsklage ist daher unzulässig (ebenso OLG Hamm BeckRS 2021, 8234; OLG Oldenburg a.a.O. OLG Köln, Beschlüsse vom 17.12.2020, 7 U 50/20; vom 21.12.2020, 7 U 53/20; vom 21.12.2020, 7 U 56/20 -sämtlich veröffentlicht bei juris-, OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.01.2021, 2 U 102/20 - juris -; OLG München a.a.O.).
2. Die Klage kann aber auch in der Sache deshalb keinen Erfolg haben, weil weder die Voraussetzungen eines Staatshaftungsanspruchs noch die eines Amtshaftungsanspruchs erfüllt sind.
a. Soweit die Klagepartei die Klage gegen die Beklagte auf die Geltendmachung eines EU-rechtlich fundierten Staatshaftungsanspruchs wegen angeblichen legislativen und administrativen Unrechts gestützt hat, sind die EU-rechtlichen Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH muss die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezwecken, dem Einzelnen Rech...