Leitsatz (amtlich)
Die Geschäftsabläufe eines Amtsgerichts müssen gewährleisten, dass ein Schriftsatz, der per Fax gut drei Stunden vor einer Hauptverhandlung über den allgemeinen Anschluss des Gerichts eingeht und den Hinweis "Eilt! Termin heute!" enthält, bis zum Beginn der Hauptverhandlung die Geschäftsstelle erreicht.
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Entscheidung vom 25.03.2021; Aktenzeichen 4d OWi 5089 Js 20761/20) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.03.2021 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid der Stadt Ludwigshafen am Rhein vom 28.04.2020 wurde gegen den Betroffenen wegen einer am 20.02.2020 auf der B 44 (Hochstraße Nord) Höhe Einfahrt Rathauscenter, Richtung A650 begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h eine Geldbuße von 120 € festgesetzt. Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid durch Urteil vom 25.03.2021 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, nachdem weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin erschienen waren.
Das beim Amtsgericht Ludwigshafen per Fax am selben Tag um 12:09 Uhr über den allgemeinen Anschluss (Fax-Nr. 0621/5616-380) eingegangene Schreiben, in dem der Verteidiger um Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen ersuchte, fand dabei keine Berücksichtigung. Es erreichte den zuständigen Richter über die Geschäftsstelle erst im Nachgang zur Hauptverhandlung. Auf dem Empfangsbekenntnis für die Ladung zur Hauptverhandlung, das der Verteidiger an das Amtsgericht zurückgeleitet hat, war nach der Angabe des Ansprechpartners (Frau B.) die Fax-Nr. der Geschäftsstelle (0621/5616-384) und im Briefkopf unter der Anschrift des Amtsgerichts die Fax-Nr. des allgemeinen Anschlusses (0621/5618-380) angegeben.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde und erhebt die Verfahrens- und Sachrüge. Er macht insbesondere geltend, der Einspruch sei zu Unrecht verworfen worden, da vor dem Hauptverhandlungstermin ein Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt worden war, der vom Amtsgericht nicht beschieden worden sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 13.09.2021 die Verfahrensakten dem Senat vorgelegt. Die Einzelrichterin hat die Sache gem. § 80a Abs. 3 OWiG an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg.
II.
Die Verfahrensrüge, mit der der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs beanstandet, ist in zulässiger Weise erhoben worden.
Die Begründung der Verfahrensrüge erfüllt die Anforderungen der § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Verfahrensrügen müssen so begründet werden, dass die den Mangel enthaltenen Tatsachen so genau bezeichnet und vollständig angegeben sind, dass das Beschwerdegericht schon anhand der Rechtsbeschwerdeschrift, das heißt ohne Rückgriff auf die Akten, ersehen kann, ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schlüssig dargetan und somit ein Verfahrensfehler vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen, und ob das Urteil auf diesem Fehler beruht. Der Rechtsmittelführer muss, wenn er den Gehörsverstoß auf eine Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG stützen will, die Umstände vortragen, die die Abwesenheit des Betroffenen entschuldigen und dem Gericht bekannt waren oder bekannt sein mussten (Kammergericht, Beschluss vom 27.03.2015, 3 Ws ≪B≫ 148/15, juris, Rn. 9 u. Rn. 10).
Gemessen an diesen Anforderungen ist die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe dem Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der gesetzlichen Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, nicht entsprochen, obwohl dieser rechtzeitig gestellt worden sei und daher durch die Verwerfung seines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ordnungsgemäß ausgeführt.
Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerdebegründung enthält die Mitteilung, wann und mit welchem Inhalt der Schriftsatz der Verteidigung vom 25.03.2021 (Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen) vor Verhandlungsbeginn beim Amtsgericht eingegangen ist. Dies genügt zur Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob das Tatgericht eine ihm bekannte Tatsache rechtlich unzutreffend gewürdigt oder sich mit ihr in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt hat oder eine Tatsache nicht zur Kenntnis genommen hat, obwohl es sie hätte zur Kenntnis nehmen können (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.01.2009 - 2 Ss OWi 1613/08, juris Rn.8). Soweit in der Rechtsbeschwerdebegründung unrichtig vorgetragen wird, der Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen sei bei der Geschäftsstelle (richtigerweise über den allgemeinen Ans...