Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehescheidung und Folgesachen. Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin. Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts bei der Protokollierung einer Scheidungsvereinbarung auch über nicht anhängige Folgesachen
Leitsatz (amtlich)
1. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält auch dann eine 15/10 Vergleichsgebühr gemäß S. 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO, wenn in einer Scheidungsvereinbarung nicht anhängige Folgesachen miterledigt werden, für die kein PKH- Bewilligungsverfahren zur Durchführung eines Rechtsstreits anhängig gemacht wurde
2. Die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht wird durch den angekündigten Vergleichsabschluß indiziert.
Normenkette
BRAGO § 23 Abs. 1 S. 3; KostÄndG Art. 7
Tenor
1. Der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht Ludwigshafen am Rhein vom 29. August 1996 wird geändert:
Die der Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus der Staatskasse, zu zahlende Vergütung wird auf 2144,75 DM festgesetzt.
2. Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 128 Abs. 5 BRAGO.
Gründe
Die gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Prozeß bevollmächtigten der Antragsgegnerin steht für die Mitwirkung beim Abschluß des gerichtlichen Vergleichs vom 7. März 1996 nicht nur eine 10/10-Gebühr, sondern im Hinblick auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht eine 15/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1. Satz 1 BRAGO zu.
Nach der Neuregelung von § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO durch Art. 7 des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 vom 24. Juni 1994 (BGBl. IS. 1325) ist die Vergleichsgebühr von 15/10 zwar auf die Höhe einer vollen Gebühr zu ermäßigen, wenn und soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozeßkostenhilfe anhängig ist.
Es ist zweifelhaft und umstritten, ob ein Verfahren über Prozeßkostenhilfe dann anhängig im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn für das Scheidungsverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde und die Bewilligung auf eine abzuschließende Scheidungsfolgenvereinbarung erstreckt wird oder – wie im vorliegenden Falle – zugleich mit der Prozeßkostenhilfebewilligung für das Scheidungsverfahren für einen eventuell abzuschließenden Vergleich Prozeßkostenhilfe gewährt wird (verneinend und damit für eine 15/10-Vergleichsgebühr: OLG Bamberg JurBüro 1996, 23; Enders in JurBüro 1995, 393 von Eicken AGS 1995, 46; bejahend. und damit für eine 10/10-Vergleichsgebühr: OLG Nürnberg JurBüro 1996; 25; Mümmler in JurBüro 1995, 353).
Der Senat folgt der Ansicht, daß hier ein Verfahren über Prozeßkostenhilfe im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO nicht anhängig ist. Sinn und Zweck der, Neuregelung des § 23 Abs. l BRAGO ist es, das Bemühen des Rechtsanwalts zu fördern, Streitigkeiten ohne Inanspruchnahme des Gerichts durch gütliche Einigung mitzuerledigen (Entwurf der Bundesregierung für das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, BT-Drucks. 12/6992, LArbG Baden-Württemberg JurBüro 1995, 383, 384; OLG Bamberg a.a.O.). Diesem Gesetzeszweck würde es nach Auffassung des Senats zuwiderlaufen, die Vergleichsgebühr herabzusetzen, wenn in einer Scheidungsvereinbarung nicht anhängige Folgesachen miterledigt werden, für die kein PKH-Bewilligungsverfahren zur Durchführung eines Rechtsstreits anhängig gemacht wurde. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung (Mümmler a.a.O., 356), bedarf es in einem solchen Falle zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe allein für den Abschluß des Vergleichs regelmäßig keiner Prüfung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 11 ZPO, denn diese wird durch den angekündigten Vergleichsabschluß indiziert (OLG Bamberg a.a.O., 24; Zöller/Philippi, ZPO 19. Aufl., 118 Rz. 8). Dieser Gesichtspunkt ist am erkennbaren Gesetzeszweck orientiert und kann damit bei Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO Berücksichtigung finden (anders: OLG Nürnberg a.a.O.). Für eine Sachprüfung wird im übrigen regelmäßig die Darstellung des Streitverhältnisses bezüglich der Folgesache in einer Antragsschrift fehlen. Der mitzuvergleichende Anspruch soll gerade nicht rechtshängig gemacht werden, so daß es eines entsprechenden Sachvortrags auch nicht bedarf. Für das Entstehen der Vergleichsgebühr ist es vielmehr ausreichend darzulegen, daß ein gegenseitiges Nachgeben der Parteien vorliegt. Die Gewährung der Prozeßkostenhilfe für den Abschluß eines Scheidungs-Folgenvergleichs unterscheidet sich damit wesentlich von der gütlichen Erledigung eines Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahrens nach § 118 ZPO oder der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zum Abschluß eines das gerichtliche Verfahren beendenden Vergleichs (vgl. zu letzterem: Göttlich/Mümmler, BRAGO 18. Aufl., „Prozeßkostenvorschußpflicht”, § 1103).
Für die nicht anhängige Folgesache, „nachehelicher Unterhalt” steht der Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 32 Abs. 2 BRAGO eine 5/10-Prozeßgebühr zu.
Der Gebührenanspruch ist demnach wie folgt festzusetzen:
3 × 10/10-Gebühren für die Ehesache in Höhe von je 465,– DM: |
1395,– DM |
15/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1... |