Leitsatz (amtlich)
Bei der Zumessung einer Geldbuße, für die die Regelsätze der Bußgeldkatalogverordnung heranzuziehen sind, ist eine tatrichterliche Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nur dann erforderlich, wenn Hinweise auf besonders schlechte wirtschaftliche Verhältnisse vorhanden sind.
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Entscheidung vom 06.07.2021; Aktenzeichen 4h OWi 5788 Js 12722/21) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06.07.2021 wird als unbegründet verworfen.
- Dem Beschwerdeführer werden die Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen wirksamen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz - Zentrale Bußgeldstelle - vom 04.01.2021 (Az.: ...) wegen vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 89 km/h zu einer Geldbuße von 1920,00 Euro verurteilt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 08.10.2021 die Verfahrensakten dem Senat vorgelegt. Die Einzelrichterin hat die Sache gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 09.10.2020 um 18:02 Uhr als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... in Ludwigshafen die A650 in Fahrtrichtung Mannheim. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit betrug am Messort 90 km/h und war mehrfach und wiederholt durch beidseitige Verkehrsschilder angeordnet. Der Betroffene wurde beginnend bei km 1,7 in Höhe Niederfeld mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Provida 2000 modular, Fabr. Nr. 244702, durch Nachfahren mit dem Messfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 179 km/h (nach Toleranzabzug von 4 Prozent) gemessen. Die Ermittlung der Geschwindigkeit erfolgte im Wege der manuellen Zeit-Weg-Berechnung. Der Betroffene rechnete zumindest mit der Geschwindigkeitsüberschreitung und nahm sie billigend in Kauf.
III.
Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben, der die Aufhebung des Urteils gebietet. Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden.
Auch im Rechtsfolgenausspruch erweist sich das angefochtene Urteil als frei von den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehlern.
Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 24.11.2017 - 1 OWi Ss Bs 87/17, juris m. w. N.). Das Amtsgericht hat sich hier an der für den Geschwindigkeitsverstoß vorgesehenen Regelgeldbuße von 600,00 € orientiert und hat diese Geldbuße sodann wegen der vorsätzlichen Begehungsweise gemäß § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV auf 1200,00 € verdoppelt. Sodann hat es das Bußgeld wegen der Voreintragungen im Fahreignungsregister nochmals um 720,00 € auf 1920,00 € erhöht.
Diese Bemessung der Geldbuße begegnet nicht deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Amtsgericht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen keine Feststellungen getroffen hat.
Auch wenn ein Betroffener keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen macht, entbindet dies das Gericht zwar grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, die notwendigen Feststellungen - beispielsweise durch Vernehmung des Arbeitgebers - zu treffen, wenn sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG von Bedeutung sein können. Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt jedoch Einschränkungen dieses Grundsatzes zu. Dass die wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG: "... kommen in Betracht") bei der Zumessung der Geldbuße lediglich eine untergeordnete Rolle spielen, hat der Gesetzgeber insbesondere bei den Verkehrsordnungswidrigkeiten durch Bemessung der Höhe der Bußgelder anhand der Regelsätze der Bußgeldkatalogverordnung bestätigt. Die Regelsätze orientieren sich dabei an der Bedeutung des Verkehrsverstoßes und dem Tatvorwurf, wobei ihnen gewöhnliche Tatumstände und durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen zugrunde liegen (KG Berlin, Beschluss vom 27.04.2020 - 3 Ws (B) 49/20, juris Rn.21; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.01.2017 - 2 Ss-OWi 1029/16, juris Rn.12). Sowohl die in der Bußgeldkatalogverordnung festgelegten Regelsätze (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BKatV) als auch die Regelfahrverbote sind Zumessungsrichtlinien im Rahmen von § 17 Abs. 3 OWiG. Aus dieser Regel-Ausnahme-Systematik folgt, dass die Amtsaufklärungspflicht nicht eine anlasslose Aufklärung von Umstände aus dem persönlichen Bereich des Täters, die ein Abweichen von der im Bußgeldkatalog vorgegebenen Re...