Leitsatz (amtlich)

1. Mehrere zeitlich gestaffelte Anträge zur Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit in der Berufungsinstanz sind jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn sie unterschiedliche Teile des angefochtenen Urteils und damit verschiedene Streitgegenstände betreffen.

2. Ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 710 ZPO, der in erster Instanz nicht gestellt wurde, kann im Berufungsverfahren jedenfalls dann in zulässiger Weise nachgeholt werden, wenn er lediglich der Verteidigung im Rahmen eines Antrags des Gegners zur Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Berufungsverfahren nach § 718 ZPO dient.

 

Normenkette

ZPO §§ 710-711, 714, 718

 

Verfahrensgang

AG Kaiserslautern (Aktenzeichen 3 F 667/99)

 

Tenor

Das Urteil des AG – FamG – Kaiserslautern vom 3.3.2002 wird in Ziff. VI (vorläufige Vollstreckbarkeit) teilweise geändert:

Der Beklagte darf eine Vollstreckung der Klägerin aus Ziff. IV des Urteils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet, mit Ausnahme der Vollstreckung wegen eines monatlichen Unterhalts i.H.v. 150 Euro für die Zeit ab 13.9.2002; insoweit ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die weitergehenden Anträge der Parteien werden abgelehnt.

 

Gründe

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute.

Durch das vom Beklagten mit seiner Berufung angefochtene Urteil des AG – FamG – Kaiserslautern vom 8.3.2002 wurden Unterhaltsbeträge für die Zeiträume Oktober 1998 bis Februar 2001 (Urteilstenor Ziff. I–III) sowie laufender Unterhalt ab März 2001 i.H.v. 634 Euro monatlich (Urteilstenor Ziff. IV) zugunsten der Klägerin tituliert.

Ziff. VI des Urteils lautet:

„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Ziff. I und II ist der Beklagte berechtigt, gegen Sicherheitsleistung von 3.500 Euro die Vollstreckung abzuwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet”.

Durch Teilurteil vom 23.7.2002 hat der Senat auf Antrag des Beklagten das Urteil des FamG in seiner Ziff. VI hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus Ziff. I teilweise geändert.

Die Parteien haben im Termin des Senats vom 3.9.2002 zur Hauptsache verhandelt. Hierauf hat der Senat am 17.9.2002 einen Beweisbeschluss verkündet.

Mit Antrag vom 3.9.2002 begehrt der Beklagte eine weitere Änderung von Ziff. VI des angefochtenen Urteils dahingehend, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Zwangsvollstreckung aus Ziff. IV gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, da das Erstgericht insoweit § 711 ZPO nicht bedacht habe. Die Klägerin betreibe zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung aus Ziff. IV des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin beantragt, den Antrag des Beklagten vom 3.9.2002 zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil erster Instanz gem. § 710 ZPO für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären.

2. Der Antrag des Beklagten ist gem. § 718 ZPO zulässig, in der Sache erzielt er einen Teilerfolg.

Einer erneuten Entscheidung des Senats über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils des FamG steht das Teilurteil vom 23.7.2002, das bereits über einen ersten Antrag des Beklagten nach § 718 ZPO entschieden hat, nicht entgegen. Dieses Urteil betrifft die vorläufige Vollstreckbarkeit aus Ziff. I des angefochtenen Urteils; vorliegend geht es um die vorläufige Vollstreckbarkeit aus Ziff. VI. Die beiden Anträge nach § 718 ZPO betreffen somit unterschiedliche Streitgegenstände. Der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass im Rahmen des § 718 ZPO über die vorläufige Vollstreckbarkeit eines angefochtenen Urteils nur einheitlich und insgesamt (im Rahmen des Umfangs der Berufung) zu entscheiden wäre. Der Antrag nach § 718 ZPO ist im Gesetz weder befristet noch davon abhängig, dass in der Hauptsache noch nicht verhandelt wäre. Das Verfahren nach § 718 ZPO ermöglicht lediglich eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, soweit der Hauptsachestreit nicht entscheidungsreif ist. Eine Grenze findet die Möglichkeit, mehrere Anträge gem. § 718 ZPO nacheinander zu verschiedenen Teilen eines angefochtenen Urteils zu stellen, demnach lediglich an dem Einwand des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher ist vorliegend weder erhoben noch ersichtlich.

Das FamG hat dem Beklagten hinsichtlich des titulierten laufenden Unterhalts entgegen § 711 ZPO keine Abwendungsbefugnis bei einer Vollstreckung durch die Klägerin eingeräumt. Ein Antrag nach §§ 711 S. 3, 710 ZPO, das Urteil ohne Abwendungsbefugnis für vorläufig vollstreckbar zu erklären, war von der Klägerin in erster Instanz nicht gestellt.

Die Klägerin hat den Schutzantrag nach §§ 711 S. 3, 710 ZPO nunmehr im Rahmen des Verfahrens nach § 718 ZPO nachgeholt. Hiermit hat sie im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich einer Teilvollstreckung Erfolg.

In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob ein Schutzantrag nach § 710 ZPO, der in erster Instanz nicht gestellt wurde, im Berufungsrechtszug nachgeholt wer...

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