Leitsatz (amtlich)

1. Die Verschmelzung einer Gesellschaft hat keinen Einfluss auf die mit einer vor Wirksamwerden der Verschmelzung wirksam erklärten Kündigung von Genussrechtsbeteiligungen an jener Gesellschaft ausgelösten Rechtsfolgen, weil dem Anleger die aufgrund der wirksamen Kündigung erlangte gesicherte Rechtsposition durch eine Umwandlung seiner Beteiligung nicht mehr einseitig genommen werden kann.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Anleger nach Wirksamwerden der Kündigung erklärt, diese zurückzunehmen, weil aufgrund der durch das Inkrafttreten der Kündigung erzeugten Wirkungen (Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis) eine wirksame Rücknahme zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich ist.

3. Die Höhe des Anspruchs auf Prozesszinsen (§ 291 BGB) richtet sich nach dem anzuwendenden materiellen Recht, weil es sich um einen materiell-rechtlichen Anspruch handelt, der durch die Rechtshängigkeit -deren Eintritt sich nach der lex fori bestimmt- lediglich ausgelöst wird.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 03.12.2021, Az. 2 O 364/19, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.495,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent p.a. seit dem 03.04.2020 Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus und im Zusammenhang mit den Genussrechtsbeteiligungen VAG3123746L1 und VAG2060307M1 und einer eventuellen Umwandlung dieser Anlagen in "Shares" der Beklagten zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungs-kosten in Höhe von 1.352,08 EUR freizustellen.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/9 und die Beklagte 8/9 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils insgesamt aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Genussrechtsbeteiligungen.

Der Kläger erwarb 2006/2007 mit den zur Akte gereichten Zeichnungsscheinen (LGA 12/13) Genussrechtsbeteiligungen an der österreichischen Thomas Lloyd Investments AG (später umgewandelt in eine GmbH mit ansonsten identischer Firmierung) für einen Anlage-/Nennbetrag von insgesamt 23.495,35 EUR. Gemäß § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen sollte die Rückzahlung zu 100% des Nennwertes abzüglich etwaiger Verlustanteile erfolgen. Nach § 13 der Genussrechtsbedingungen war für die Beteiligung die Geltung österreichischen Rechts vereinbart worden.

Die ordentliche Kündigung des Klägers erfolgte zum 31.12.2018, was von der Beklagten mit Schreiben vom 12.02.2016 bestätigt wurde (LGA 15). Ebenfalls mit Wirkung zum 31.12.2018 wurde die Thomas Lloyd GmbH auf die Beklagte, eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs, verschmolzen.

Mit Schreiben aus dem Februar 2019 (LGA 16/19) erläuterte die Beklagte dem Kläger, dass mit der "gesellschaftsrechtlichen Restrukturierung" "die Umwandlung sämtlicher Genussrechte und -scheine in Aktien" einhergehe, wobei die Wirksamkeit der Kündigung zum 31.12.2018 hiervon zunächst unberührt bleibe. Aus "rechtlichen und steuerlichen Gründen" sei es unvermeidlich gewesen, die Beteiligungsbuchwerte "zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum abzuwerten". "Vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungen" habe der Kläger aber die Wahl, seine Kündigung aufrecht zu erhalten - wobei der Rückzahlungsbetrag zum Kündigungsstichtag 31.12.2018 allerdings "0,00 EUR" betrage - oder von seiner Kündigung zurückzutreten, womit er die Gesamtrendite seines Investments sowohl mittel- als auch langfristig deutlich verbessere. Dazu erhielt er eine "Anlegerinformation" (LGA 18/21), aus der neben seinem Anlagebetrag und der Anzahl der ihm zustehenden Aktien (sog. "B-Anteile") u.a. ein "rechnerischer Wert der Genussrechte/-scheine per 31.12.2018" hervorging, der mit insgesamt 26.463,72 EUR (14.049,20 EUR + 12.414,52 EUR) angegeben wurde. Ferner wurde ihm ein Formblatt (LGA 14) überlassen, in dem eine von zwei Optionen zur Auswahl mit einem Kreuz versehen werden konnte und unter denen es hieß: "Ich möchte meine Kündigung beibehalten.

Mir ist bewusst, dass der Vertrag somit nach den maßgeblichen Genussrechts-/-scheinbedingungen lt. Schreiben vom Februar 2019 abgerechnet wird.

Ich möchte meine Kündigung zurücknehmen.

Ich beantrage, dass die von mir [...] ausgesprochene Kündigung meiner Genussrechte/-scheine keine Wirkung entfalten soll und die Rechtsfolgen der ausgesprochenen Kündigung nicht eintreten sollen. Ich bin mir bewusst, dass damit meine Beteiligung, die durch die Fusion der Thomas Lloyd Investments GmbH auf die CT Infrastructure Holding Ltd....

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