Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltshaftung bei Abschluss eines Prozessvergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt darf seinem Mandanten nicht zum Abschluss eines Prozessvergleichs raten, der eine gem. § 2302 BGB nichtige Verpflichtung zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen enthält.
2. Zu den Anforderungen an den Vortrag zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität, wenn eine solche Verpflichtung im Rahmen einer umfassenden familienrechtlichen Auseinandersetzung über das vorhandene Vermögen und den nachehelichen Unterhalt protokolliert wurde.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 280 Abs. 1, § 2302
Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Urteil vom 27.09.2013; Aktenzeichen 1 O 238/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Zweibrücken vom 27.9.2013 - 1 O 238/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten in Anspruch.
Die Beklagte zu 1) vertrat die Klägerin im Jahr 2005 im Scheidungsverfahren vor dem AG - Familiengericht - Zweibrücken. Am 23.3.2005 schlossen die Eheleute einen Vergleich über die Vermögensauseinandersetzung. Sie waren Miteigentümer zu je 1/2 einer Immobilie in Wallhalben. Die Ehefrau und hiesige Klägerin übertrug ihren hälftigen Miteigentumsanteil an ihren damaligen Ehemann (im Folgenden: Ehemann). Dieser übernahm hierfür die auf dem Haus lastenden Schulden und zahlte ihr einen Betrag von 41.500 EUR. Hiervon waren 10.000 EUR bis 31.7.2005 zur Zahlung fällig; der Restbetrag nebst Zinsen war in monatlichen Raten zu je 500 EUR ab dem 1.6.2005 bis September 2010 fällig. Ferner verzichteten die Eheleute gegenseitig auf Ehegattenunterhalt bis zum Zeitpunkt der planmäßigen Tilgung des Restbetrages von 31.500 EUR zzgl. Zinsen. Der Ehemann verpflichtete sich, Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder, geboren am 16.8.1992 und 12.4.1997, zu zahlen.
Ziffer X des Vergleichs enthält folgenden Wortlaut:
"Der Antragsteller verpflichtet sich, bis spätestens 29.4.2005 einen notariellen Erbvertrag abzuschließen, wonach die beiden gemeinsamen Kinder Florian und Lars-Dominik zu Alleinerben nach seinem Tod eingesetzt werden."
In der Folgezeit kam es nicht zum Abschluss eines solchen Erbvertrages. Im August 2005 fand eine Besprechung eines Entwurfs für einen Erbvertrag beim Notar statt. Nach diesem Entwurf wurden die Kinder nicht als Alleinerben des Vaters eingesetzt. Die Klägerin unterschrieb diesen Entwurf nicht, sondern wandte sich nochmals an die Beklagte zu 1). Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte zu 1) sie bei dieser Gelegenheit darüber aufklärte, dass Ziffer X des Vergleichs nicht durchsetzbar ist, oder ob sie ihr abriet, diesen Vertrag zu unterzeichnen, da hiernach die Kinder das Haus nicht bekommen würden.
Im August 2010 wandte sich die Klägerin an den nunmehrigen Klägervertreter, um Ziffer X des Vergleichs vom 23.3.2005 durchzusetzen. Nachdem sie einsehen musste, dass die festgelegte Verpflichtung gem. § 2302 BGB nichtig ist, nimmt sie nun die Beklagten als Sozietätsmitglieder auf Rechtsanwaltshaftung in Anspruch. Sie wirft der Beklagten zu 1) vor, sie nicht auf die Nichtigkeit der Regelung hingewiesen zu haben. Hätte sie dies gewusst, hätte sie den Vergleich nicht abgeschlossen und Ehegattenunterhalt von ihrem Ehemann gefordert. Unterhalt habe ihr für den Zeitraum April 2005 bis September 2009 i.H.v. monatlich 500 EUR zugestanden. Ihr Ehemann sei auch leistungsfähig gewesen. Weder sei dieser Unterhaltsanspruch wegen eines Ausbruchs aus intakter Ehe verwirkt gewesen, nachdem die Ehe bereits drei Jahre vor der Trennung zerrüttet gewesen sei, noch seien die Schadensersatzansprüche mittlerweile verjährt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 27.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.7.2011 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie wenden Verjährung ein, zumindest aber seien die Ansprüche verwirkt. Das Mandat sei am 14.7.2005 beendet worden und die Klägerin habe noch im Jahr 2005 Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel erlangt, so dass etwaige Schadensersatzansprüche mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt seien. Beide Beteiligte des Vergleichs seien darauf hingewiesen worden, dass es sich nur um eine Absichtserklärung gehandelt habe, die nicht in der konkreten Form durchsetzbar sei. Auch beim Notartermin im Jahr 2005 sei sie auf die Nichtigkeitsfolge der Regelung hingewiesen worden. Spätest...