Entscheidungsstichwort (Thema)

Trennungsunterhalt: Zurechnung fiktiver Einkünfte/Gebrauchsvorteil mietfreien Wohnens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Umstand, dass der Unterhaltsgläubiger in seiner Erwerbsfähigkeit in einem Maße eingeschränkt ist, nach dem er im Sinne des Sozialhilferechts als vollumfänglich erwerbsunfähig gilt, lässt unterhaltsrechtlich seine Erwerbspflicht im Rahmen der ihm verbleibenden Möglichkeiten nicht entfallen.

2. Die im Rahmen des Trennungsunterhalts gebotene Zurechnung von Gebrauchsvorteilen mietfreien Wohnens richtet sich allein nach dem angemessenen und nicht nach dem objektiven Mietwert. Dies gilt in der Regel für den gesamten Trennungszeitraum und ist nicht das erste Trennungsjahr beschränkt.

 

Normenkette

BGB § 1361

 

Verfahrensgang

AG Neustadt an der Weinstraße (Urteil vom 26.10.2005; Aktenzeichen 1 F 118/04)

 

Tenor

I. Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des AG - FamG - Neustadt a. d. Weinstr. vom 26.10.2005 verurteilt, an die Klägerin folgende Unterhaltsrenten zu zahlen:

I. für Oktober 2003 bis Februar 2004 restliche 941 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 10.3.2004;

II. für März 2004 bis Mai 2006 über die freiwillig gezahlten monatlich 326 EUR hinaus weitere monatlich

  • 225 EUR für März bis Mai 2004,
  • 112 EUR für Juni bis November 2004,
  • 268 EUR für Dezember 2004,
  • 91 EUR für Januar bis Mai 2005,
  • 57 EUR für Juni bis Dezember 2005 und
  • 0 EUR für Januar bis Mai 2006;

3. ab Juni 2006 monatlich 266 EUR, zahlbar bis zum 3. eines jeden Monats.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten erster Instanz haben die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3, von denen des Berufungsverfahrens die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien (Klägerin, geboren am 6.2.1950 und Beklagter, geboren am 26.6.1947) streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Klägerin für die Zeit ab Oktober 2003.

Sie haben am 26.7.1972 geheiratet und leben seit spätestens Juni 2003 getrennt. Ihr gemeinsamer Sohn N-., geboren am 13.5.1980, hat im April 2006 seine Ausbildung zum Informatiker an der FH Zweibrücken abgeschlossen und wohnt seither wieder im Elternhaus. Hierbei handelt es sich um ein im Alleineigentum der Klägerin stehendes, von ihr bewohntes Einfamilienhaus in ..., aus dem der Beklagte im Zuge der Trennung ausgezogen ist. Der Beklagte zahlt an den Sohn monatlichen Unterhalt von 439 EUR.

Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach Abschluss der Handelsschule war sie von 1966 bis zur Geburt des Sohnes als Schreibkraft beschäftigt. Ab 1987 übte sie diese Tätigkeit wiederum teilschichtig aus. Zuletzt war sie bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zum 30.11.2003 im Umfang von 2 × 4 Stunden wöchentlich in einer Steuerberaterkanzlei tätig und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 322 EUR. Seither ist sie ohne Beschäftigung und ohne Erwerbseinkünfte.

Sie verfügt über Kapitaleinkünfte i.H.v. monatlich 87,66 EUR.

Für eine Zusatzkrankenversicherung bringt sie monatlich 41,48 EUR auf.

Der Beklagte war von Januar 1975 bis November 2004 als Versicherungsfachwirt bei der ... Versicherungs-AG in ... vollschichtig tätig. Er erreichte seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln; für ein Abonnement der Deutschen Bundesbahn hatte er monatlich 223,50 EUR aufzubringen. Seit Dezember 2004 ist er im Vorruhestand. Nach der getroffenen Vorruhestandsvereinbarung erhält er bis zum 30.6.2010 Vorruhestandsbezüge.

Für eine seit 1975 bestehende Lebensversicherung wendet er monatlich 79,23 EUR, für eine Krankenzusatzversicherung monatlich 31,17 EUR auf.

Er hat Zinseinkünfte i.H.v. monatlich 18,17 EUR.

Der Beklagte zahlte an die Klägerin als Trennungsunterhalt einschließlich für sie entrichtete Versicherungsbeiträge monatlich 563 EUR für Oktober bis Dezember 2003 und monatlich 352 EUR für Januar und Februar 2004. Für März 2004 bis November 2005 zahlte er aufgrund eines im einstweiligen Anordnungsverfahren am 5.5.2004 geschlossenen Zwischenvergleichs monatlich 520 EUR. Soweit damit höherer Unterhalt als nach der Hauptsacheentscheidung entrichtet wurde, verpflichtete sich die Klägerin zur Rückzahlung der überschießenden Beträge. Seit Dezember 2005 zahlt der Beklagte die im angefochtenen Urteil errechneten monatlich 435,18 EUR.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in unterschiedlicher Höhe in Anspruch genommen. Klagegegenständlich waren jeweils lediglich die freiwillige Zahlungen des Beklagten von monatlich 326 EUR übersteigenden Beträge.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das FamG hat - nach Beweiserhebung über die Erwerbsfähigkeit der Klägerin - durchgehend für die Zeit ab Oktober 2003 die freiwilligen Zahlungen des Beklagten übersteigende Unterhaltsansprüche zugunsten der Klägerin errechnet und zuerkannt.

Grundlage war das Erwerbseinkommen des ...

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