Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung für beherrschbare Operationsrisiken (im Körper des Patienten verbliebener "Kirschnerdraht")
Leitsatz (amtlich)
Tritt - längere Zeit - nach einer Knieoperation ein dabei verwendeter sog. Kirschnerdraht aus dem Rücken des Patienten und steht fest, dass sich der Patient bislang keinen weiteren Operationen unterzogen hat, kommt auch dann eine Haftung des operierenden Arztes nach den Grundsätzen voll beherrschbarer Risiken in Betracht, wenn der Kirschnerdraht nicht im Operationsbereich (Kniebereich) zurückgelassen wurde.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1 Sätze 1-2, § 823 Abs. 1, § 831
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 4 O 150/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 29.11.2006 abgeändert:
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 4.000 EUR nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24.2.2005 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten haben der Kläger 5/7 und die Beklagte zu 2) 2/7 zu tragen.
Der Kläger hat 3/7 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und die gesamten außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) zu tragen.
Die Beklagte zu 2) trägt 4/7 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 7.000 EUR im Zusammenhang mit einer Operation des vorderen Kreuzbandes seines linken Knies am 22.5.2003 geltend, bei der ein sog. Kirschnerdraht im Körper des Klägers verblieben sein soll.
Der Beklagte zu 1) hat die Operation durchgeführt, wobei sich der Kläger vom 21.5. bis 25.5.2003 in stationärer Behandlung bei der Beklagten zu 2) befand.
Der Beklagte zu 1) hat bei der Operation des Klägers in Form einer Re-Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes des linken Knies unstreitig u.a. einen Kirschnerdraht mit einer Länge von 15 cm und einer Dicke von 1,2 mm verwandt.
Der Kläger ist am 19.12.1996 schon einmal am Kreuzband seines linken Knies operiert worden und befand sich damals vom 18.12. bis 24.12.1996 in stationärer Behandlung im St. Elisabeth Krankenhaus in R. Bei dieser Operation in R. wurde kein Kirschnerdraht verwandt.
Im Dezember 2003 bildete sich am Rücken des Klägers eine Geschwulst, das am 6.1.2004 in der Gemeinschaftspraxis Dres. med. L. und ... in H. entfernt wurde.
Nach dem Sachvortrag des Klägers trat in der Nacht vom 10. auf den 11.1.2004 ein metallischer Gegenstand aus seiner Rückenwunde hervor, wobei seine Lebensgefährtin, die Zeugin K. W., sodann einen 15 cm langen Kirschnerdraht aus seinem Rücken gezogen habe.
Der Kläger hat vorgetragen, der aus dem Rücken ausgetretene Draht sei entweder im Zusammenhang mit der Operation am 22.5.2003 versehentlich im Knie vergessen worden oder ihm im Rahmen von Umlagerungsmaßnahmen beigebracht worden. Er habe nach der Operation von Oktober 2003 bis zum 11.1.2004 zeitweilig an starken Schmerzen im Bereich des linken Oberschenkels und des Rückens gelitten und sei zeitweilig arbeitsunfähig gewesen.
Das Erstgericht hat nach Vernehmung der Zeugen K. W. und Dr. D. K. von der Chirurgischen Ambulanz der Universitätsklinken des Saarlandes ein nochmals mündlich erläutertes und schriftlich ergänztes Sachverständigengutachten des Privatdozenten Dr. med. R. eingeholt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird ergänzend auf die dort gewechselten-Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle sowie die schriftlichen Sachverständigengutachten Bezug genommen.
Das Erstgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2006 abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme ungeklärt bleibe, ob der Kirschnerdraht während des Aufenthalts des Klägers im Mai 2003 bei der Beklagten zu 2) im Körper zurückgelassen worden sei. Dem Kläger komme insoweit keine Beweiserleichterung wegen eines Dokumentationsversäumnisses in Form eines Anscheinsbeweises oder wegen eines groben Behandlungsfehlers zugute.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt.
Der Kläger trägt vor, da ein Kirschnerdraht unbemerkt nur unter Narkose in den Körper eines Menschen gelangen könne, sei dies nur bei den zwei Operationen, also entweder in Rodalben 1996 oder 2003 bei der Beklagten zu 2) möglich gewesen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 29.11.2006 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.000 EUR nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.7.2004 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen und wiederho...