Leitsatz (amtlich)
Mit der rechtsfehlerhaften Bewertung, Polizeibeamte hätten sich bewusst bei der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung über den Richtervorbehalt hinweggesetzt, entzieht sich der Tatrichter einer Berücksichtigung der Rechtsfigur des hypothetischen Ersatzzugriffs mit der Folge, dass das Urteil regelmäßig auf diesem Rechtsfehler beruht.
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Entscheidung vom 06.10.2017) |
Tenor
- Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 6. Oktober 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 4. April 2017 ist der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 20,00 € belegt worden. Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
"Der Angeklagte war am Morgen des 30.07.2016 im betrunkenen Zustand auf der Landstraße zwischen Schwegenheim und Westheim unterwegs und wurde von der Polizei angetroffen. Im Rahmen einer Durchsuchung zur Eigensicherung wurde bei ihm ein Joint und eine kleine Menge Marihuana aufgefunden. Eine daraufhin durchgeführte Wohnungsdurchsuchung führte zum Auffinden von insgesamt 85,28g Marihuana, 8,19g Haschisch, Verpackungsmaterial und Betäubungsmittelutensilien. Die Betäubungsmittel hatten einen Wirkstoffgehalt von 12,4g THC. Zugunsten des Angeklagten wird davon ausgegangen, dass die Drogen zum Eigenkonsum bestimmt waren."
Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat ihn das Landgericht Landau in der Pfalz am 6. Oktober 2017 nur wegen des bei ihm aufgefundenen Joints sowie einer kleinen Menge Marihuana des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht verworfen.
Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten erhobenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrensrüge die fehlerhafte Annahme eines Beweisverwertungsverbotes und rügt insoweit die Verletzung des § 261 StPO. Zudem hat sie die allgemeine Sachrüge erhoben.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des angegriffenen Urteils. Auf die Verfahrensrüge kommt es deshalb nicht mehr an.
II.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte in Schwegenheim gefeiert und lief am Samstag, den 30. Juli 2016 gegen 7:35 Uhr in angetrunkenem Zustand auf der Landstraße zwischen Schwegenheim und Westheim. Ca. 500 m vor dem Ortseingang Westheim und damit 500 m vor der Wohnung des Angeklagten, wurde er durch die Streifenwagenbesatzung PHK S, POK P und PKAin U angehalten, nachdem diese durch einen LKW-Fahrer auf eine auf der Fahrbahn laufende Person aufmerksam gemacht worden waren. Der Angeklagte trug zu diesem Zeitpunkt einen Joint und eine kleine Menge Marihuana in einer Dose bei sich.
Eine Verurteilung wegen des weitergehenden Tatvorwurfs des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - bezogen auf die in der Wohnung verwahrten Betäubungsmittel - erfolgte nicht, da das Landgericht einen Tatnachweis insoweit als nicht geführt angesehen hat. Der Angeklagte hat diesbezüglich von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch gemacht. Der Verwertung der aus der Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten erlangten Beweismittel, die wegen Gefahr im Verzug durch PHK S angeordnet worden ist, stand nach Auffassung des Landgerichts ein Beweisverwertungsverbot entgegen, da sich der Polizeibeamte bewusst über den Richtervorbehalt hinweggesetzt habe, obwohl die Voraussetzungen zur Annahme von Gefahr im Verzug nicht vorgelegen hätten.
III.
1. Eine Durchsuchung darf gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO durch den Richter und nur bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) angeordnet werden. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert insoweit die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2, Halbs. 1 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der präventive Richtervorbehalt, der der verstärkten Sicherung des Grundrechts des Art. 13 Abs. 1 GG dient, zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Zentraler Ausgangspunkt für das Verständnis des Richtervorbeh...