Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz aus Amtshaftung
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Urteil vom 05.11.1998; Aktenzeichen 4 O 895/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 5. November 1998 geändert:
1. Das Versäumnisurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 2. Juli 1998 wird aufgehoben.
2. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
II. Zur 4 Entscheidung über die Hohe des Anspruchs wird der Rechtsstreit an das Landgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer wird für beide Parteien auf 87 237,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betätigt sich als Bauträgerin. Sie begehrt vom beklagten Landkreis aus Amtshaftungsgesichtspunkten Ersatz der Schäden, welche ihr infolge einer vorübergehend erfolgten Baueinstellung entstanden sein sollen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Bescheid vom 23. April 1996 erteilte der beklagte Landkreis im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach den §§ 68, 65 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz 1995 (LBO) der Klägerin die Genehmigung für die Errichtung eines nahezu grenzständigen zweigeschossigen Wohnhauses mit sechs Wohneinheiten und neun Stellplätzen auf dem Grundstück Plan-Nr. 260/2 in …. Die Baugenehmigung wurde unter Befreiung von § 8 LBO für einen Grenzanbau ohne ausreichende Abstandsfläche zur westlichen Grundstücksgrenze erteilt. An dieser Westgrenze schließen sich im Süden zur Straße hin das Grundstück Plan-Nr. 261 und im Norden, also im hinteren Bereich, das Grundstück 262/1 an. Bei der Erteilung der Baugenehmigung lagen dem beklagten Landkreis die von der Klägerin beschafften Einwilligungen des östlichen Nachbarn (Plan-Nr. 255) und des Eigentümers des Grundstücks Plan-Nr. 261 zur Grenzbebauung vor. Das Grundstück Plan-Nr. 262/1 steht im Eigentum einer Erbengemeinschaft. Auf diesem Grundstück befindet sich nahe der Grenze in Hohe des rückwärtigen Teils des von der Klägerin geplanten Neubaus ein Scheunengebäude.
Die Klägerin hatte das Eigentum an ihrem Grundstück von einem Teil der Mitglieder der Erbengemeinschaft des Grundstücks Plan-Nr. 262/1 erworben. Zum Zeitpunkt des Erwerbs befand sich auf dem Grundstück eine Scheune in Grenzbebauung nahe der westlichen Grundstücksgrenze. Den Verkäufern war die Absicht der Klägerin, dieses Gebäude abzureißen und einen Neubau ebenfalls in Grenzbebauung zu errichten, bekannt.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1996 legte die Nachbarin …, eine weitere Mitbeteiligte der genannten Erbengemeinschaft, als Miteigentümerin des Grundstücks Plan-Nr. 262/1 Widerspruch gegen die der Klägerin erteilte Baugenehmigung resp. die Befreiung von der Einhaltung der Abstandsfläche ein. Am 3. Juli 1996 begehrte sie zusätzlich die Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. Diesem Antrag gab der beklagte Landkreis mit Bescheid vom 8. Juli 1996 statt. Die Klägerin stellte die schon begonnenen Bauarbeiten am 15. Juli 1996 ein.
Auf den „Widerspruch” der Klägerin vom 17. Juli 1996 gegen die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung antwortete der beklagte Landkreis mit Schreiben vom 19. Juli 1996, dass er keinen Anlass für eine Änderung seiner Entscheidung sehe. Hierauf stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Juli 1997 beim Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße den Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufzuheben. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße mit Beschluss vom 5. September 1996 statt. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung sei offensichtlich zu Unrecht erfolgt. Das Gebot der Einhaltung von Grenzabstandsflächen gemäß § 8 LBO gelte vorliegend nicht, da nach bauplanungsrechtlichen Vorschriften (unbeplanter Innenbereich, § 34 Abs. 1 BauGB) eine einseitige Grenzbebauung zwingend geboten sei und der Bauherr wählen könne, an welcher seitlichen Grundstücksgrenze er bauen wolle. Auch das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Zur weiteren Begründung wird auf den genannten Beschluss, Az. 11 L 2387/96. NW, verwiesen.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts ergebe sich, dass die Baueinstellung durch den handelnden Mitarbeiter des beklagten Landkreises offensichtlich rechtswidrig erfolgt sei. Bei richtiger Abwägung sei der beklagte Landkreis verpflichtet gewesen, die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung zu unterlassen. Der für den beklagten Landkreis handelnde Beamte habe fahrlässig gehandelt. Die von ihr beauftragte Rohbaufirma … habe ihr für den Zeitraum vom 22. Juli bis 30. August 1996 Mehrkosten in Höhe von 87.237,– DM wegen der Baueinstellung in Rechnung gestellt, die sie bezahlt habe.
Im Termin vom 2. Juli 1998...