Leitsatz (amtlich)
1. Bei Musikwerken stehen für die Beurteilung, ob eine freie oder eine unfreie Bearbeitung vorliegt, die Übereinstimmungen nicht die Unterschiede der zu vergleichenden Werke im Vordergrund. Hierzu ist festzustellen, welche Elemente des älteren Werkes schutzfähig sind und welche das jüngere Werk übernommen hat.
2. Diese Feststellung bedarf grundsätzlich der Hilfe eines Sachverständigen. Wenn das Gericht aus eigener Sachkunde entscheidet, ist diese darzulegen. Eine allgemeine schulische Ausbildung oder die hobbymäßige Beschäftigung von Mitgliedern des Gerichts mit Musik genügen zur Begründung einer Sachkunde nicht.
3. Für die Anhörung eines Musikwerkes durch das Gericht zu Beweiszwecken gelten die Regeln des Strengbeweises.
Normenkette
UrhG §§ 3, 24
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 28.10.2014; Aktenzeichen 6 O 161/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 28.10.2014 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist selbständiger Musiker, Komponist, Arrangeur und Autor von Piano-Lehrbüchern. Der Beklagte zu 2) ist ebenfalls Arrangeur und Autor von Piano-Spielbüchern. Der Beklagte zu 3) ist als Co-Autor des Beklagten zu 2) in Erscheinung getreten. Die Beklagte zu 1) betreibt einen Musikverlag. Der Kläger und die Beklagten haben Spielbücher verfasst, die von der Beklagten zu 1) vertrieben werden. Dabei handelt es sich um die Spielbücher "B. P. Classics" (verfasst vom Kläger), "B. P. Standards" (verfasst vom Beklagten zu 2) und "P. P. 2" (verfasst vom Beklagten zu 2) gemeinsam mit dem Beklagten zu 3).
Am 13.9.2007 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Musikverlagsvertrag. Der Kläger sollte 18 bis 20 "Songs arrangiert für Klavier mittelschwer mit CD", darunter 3 bis 5 gemeinfreie Titel für ein beabsichtigtes Spielbuch mit dem Arbeitstitel "B. P." schaffen, womit die Schaffung von Arrangements bekannter Titel der Unterhaltungsmusik für das Klavierspielen gemeint war. In der Folgezeit erstellte der Kläger vereinbarungsgemäß zahlreiche Klavierarrangements bekannter Musikstücke wie z.B. "Aura Lee", "I like Chopin", "Killing me softly", "Moonriver", "Oh, lady be good", "Please release me", "Somethin stupid", "The Shadow of your smile" und "Tears in Heaven". Da es zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger zu Unstimmigkeiten kam, beauftragte die Beklagte zu 1) den Beklagten zu 2) mit der Erstellung des Spielbuches. Zur Vorbereitung übersandte die Beklagte zu 1) dem Beklagten zu 2) 40 vom Kläger geschaffene Arrangements, nach ihrem Vortrag "um zu zeigen, in welche Richtung wir gehen wollen". In der Folgezeit erstellte der Beklagte zu 2) 20 Arrangements bekannter Musikstücke, welche die Beklagte zu 1) in dem Klavierspielbuch "B. P. Classics" veröffentlichte. Ferner veröffentlichte die Beklagte zu 1) in dem Klavierspielbuch "P. P. 2" von den Beklagten zu 2) und 3) gemeinsam arrangierte "100 schönste Melodien von Klassik bis Pop", darunter das Lied "Tears in Heaven".
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten zu 2) und 3) hätten in den Spielbüchern (im Einzelnen dargestellte) Arrangements verwendet, die er erstellt und der Beklagten zu 1) übersandt habe; die Beklagten verletzten deshalb seine Urheberrechte an diesen Stücken.
Er begehrt, den Beklagten zu verbieten, die von ihm geschaffenen Arrangements in den Spielbüchern "B. P. Standards" und "B. P. 2" zu verwenden, ihm Auskunft über den Vertrieb der Spielbücher zu erteilen, ihm Schadensersatz zu leisten und die Spielbücher bezüglich der verwendeten, von ihm geschaffenen Arrangements unkenntlich zu machen, sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Durch das angefochtene Urteil hat die 6. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass den Arrangements des Klägers jedenfalls nach den Grundsätzen der sog. kleinen Münze eine gewisse Schöpfungshöhe nicht abgesprochen werden könne, die Beklagten jedoch keine Urheberrechte des Klägers verletzt hätten, weil die Arrangements der Beklagten sich trotz gewisser Ähnlichkeiten mit den Arrangements des Klägers von diesen deutlich unterschieden; davon habe sich die Kammer durch das Abspielen und Anhören der Stücke überzeugt; bezüglich des Titels "Tears in Heaven" sei davon auszugehen, dass die Beklagten ihr Arrangement zeitlich vor dem Kläger geschaffen hätten.
Mit seiner Berufung bekämpft der Kläger das Urteil in vollem Umfang. Er rügt, dass die Kammer Arrangements aus eigener Sachkunde beurteilt habe, obwohl beide Parteien davon ausgegangen seien, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werde; ferner habe die Kammer ihre Hinweispflicht verletzt; die Auffassung der Kammer treffe nicht zu, dass es sich bei den Arrangements der Beklagten um ei...