Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 25.01.1991; Aktenzeichen 7 O 519/88)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25. Januar 1991 geändert:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf seinem Grundstück in … während der … Weinkerwe an dem jeweiligen ersten Wochenende im September eines jeden Jahres von Freitag bis Montag Musikveranstaltungen durchzuführen oder Dritten zu gestatten, solche Veranstaltungen dort durchzuführen, deren Geräusche vor dem geöffneten Frontfenster am Hause des Klägers, … Straße …, zum Grundstück des Beklagten während der Nachtzeit nach 22.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB (A) und/oder einen Maximalspitzenpegel von 65 dB (A) überschreiten.
  2. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer des Beklagten werden auf 5.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Klägers gegen das die Unterlassungsklage abweisende Urteil führt auch in der Sache zum Erfolg.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten gemäß §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1, 2 BGB im beantragten Umfang ein Unterlassungsanspruch zu. Im Gegensatz zum Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß die vom Grundstück des Beklagten bei der jährlich veranstalteten Weinkerwe durch die aufspielende Musik ausgehenden Lärmemissionen nach 22.00 Uhr eine wesentliche, nicht ortsübliche Geräuschbelästigung darstellen, die der Kläger nicht hinnehmen muß.

1) Daß der Beklagte als mittelbarer Störer der richtige Adressat für die Unterlassungsklage ist, steht außer Frage; denn er ist als Eigentümer des Winzerbetriebes der Veranstalter der Weinkerwe in seinem Gut, so daß die beanstandeten Musikdarbietungen auf seine Willensentschließung zurückgehen, weshalb er diese auch jederzeit unterbinden kann (Handlungsstörer).

2) Der Kläger ist als Eigentümer und Bewohner des beeinträchtigten Nachbargrundstücks auch aktiv legitimiert. Soweit der Beklagte mit der Berufungsbegründung beanstandet, daß die Messungen des TÜV-Sachverständigen vor dem Schlafzimmerfenster des Enkels und nicht vor demjenigen des Klägers durchgeführt wurden, ist diese Rüge unbeachtlich. Es geht hier um eine Eigentumsbeeinträchtigung des Grundstücks, über das der Kläger als Eigentümer frei verfügen kann. Wenn er einen Teil der Wohnung seinem Sohn und dessen Familie überläßt, so bleibt er dennoch für einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB anspruchsberechtigt.

3) Keine Bedenken bestehen auch gegen das Vorliegen der für das Unterlassungsbegehren erforderlichen Wiederholungsgefahr, wobei offen bleiben kann, ob es sich insoweit um eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Unterlassungsklage handelt (vgl. dazu Palandt/Bassenge, BGB, 49. Aufl., § 1004 Anm. 6 b, c). Der Beklagte hat, wie er im Termin vom 2. Juli 1991 vor dem Senat auf Frage nochmals ausdrücklich bestätigte, auch in Zukunft die Absicht, während der jährlich stattfindenden Weinkerwe nach 22.00 Uhr einen musikalischen Alleinunterhalter in seinem Winzerhof auftreten zu lassen. Es sind deshalb auch in Zukunft störende Geräusche von der mit elektrischen Verstärkern ausgestatteten Hammondorgel oder einem vergleichbaren Musikinstrument zu erwarten.

4) Daß durch die Musikdarbietungen nach 22.00 Uhr deutlich wahrnehmbare Geräusche auf das gegenüberliegende Grundstück des Klägers einwirken und dort auch in der Wohnung wahrnehmbar sind, steht aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme eindeutig fest und wird zudem von dem Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

5) Im Gegensatz zum Landgericht hält der Senat die durch die Musik verursachten Geräusche auch für wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB.

Von einem emittierenden Grundstück ausgehende Einwirkungen im Sinne von § 906 BGB auf ein nicht notwendig unmittelbar angrenzendes anderes (betroffenes) Grundstück können unter anderem dann nicht verboten werden, wenn die Beeinträchtigung unwesentlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit trifft allerdings den Störer (Palandt/Bassenge, BGB a.a.O. § 906 Anm. 4 e).

Bei der Frage, was eine wesentliche Beeinträchtigung ist, ist auf das Empfinden eines durchschnittlichen Menschen abzustellen, wobei Natur und Zweckbestimmung des von der Beeinträchtigung betroffenen Grundstückes eine entscheidende Rolle spielen können (BGH NJW 90, 2465 ff: sog. differenziert-objektiver Maßstab). Auf die besondere Empfindlichkeit des Klägers, etwa aufgrund seines Alters oder seines Gesundheitszustandes, kommt es dabei nicht an. Wesentliche Geräuschimmissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB sind dabei gleichzusetzen mit der erheblichen Geräuschbelästigung und damit schädlichen Umwelteinw...

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