Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem in der schriftlichen Mitteilung über eine beabsichtigte Entgelterhöhung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG anzugebenden Umlagemaßstab handelt es sich um denjenigen Parameter, nach dem die gestiegenen Kosten auf die Entgelte kalkulatorisch umgelegt werden. Dies kann etwa die Größe des belegten Wohnraums nach Quadratmeter, die Kopfzahl der Bewohner oder die (maximale) Anzahl der belegbaren Heimplätze sein, während die Bezeichnung "pflegetäglich" insofern nicht ausreicht, weil sie keinen Umlage-, sondern allenfalls einen Abrechnungsmaßstab darstellt.
2. Eine dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 9 WBVG entsprechende Mitteilung über eine geplante Entgelterhöhung muss klar zu erkennen geben, dass es sich um eine bloß beabsichtigte Erhöhung, d.h. ein einseitiges Verlangen des Unternehmers handelt. Keinesfalls darf der Eindruck erweckt werden, dass es einer - notfalls im Klageweg zu erstreitenden - Zustimmung des Bewohners nicht bedarf.
3. Der nach § 2 UKlaG bestehende Beseitigungsanspruch umfasst nicht die Versendung eines bestimmten Schreibens mit vorgegebenem Wortlaut, weil die konkrete Beseitigungshandlung im Ermessen des Verletzers steht, solange die gewählte Handlung nur das Ziel erreicht.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 06.07.2023; Aktenzeichen 3 O 293/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 06.07.2023, Az.: 3 O 293/22, teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen Heimverträge bestehen, Entgelterhöhungen geltend zu machen, a) ohne die beabsichtigte Entgelterhöhung in den einzelnen Positionen, für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage Kostensteigerungen ergeben, kalkulatorisch nachvollziehbar zu begründen, und/oder b) dabei den Eindruck zu erwecken, dass die geltend gemachten Entgelterhöhungen auch ohne Zustimmung der angeschriebenen Verbraucher wirksam sind, wenn dies jeweils wie in dem Schreiben der Beklagten vom 01.06.2022 (Anlage K1) geschieht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 175,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11. 2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der klagende Verein ist in der beim Bundesamt für Justiz geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen. Er nimmt die Beklagte, die die vollstationäre Pflegeeinrichtung "I. Senioren-Residenz S." betreibt, wegen eines eine Entgelterhöhung betreffenden Schreibens auf Unterlassung und Folgenbeseitigung sowie die Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Beklagte versandte ein auf den 01.06.2022 datiertes Schreiben betreffend eine Entgelterhöhung zum 01.07.2022 an "alle Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Betreuer" ihrer Einrichtung. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlage K1 (Bl. 8 ff LGA) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.08.2022 (K2 - Bl. 11 ff. LGA) wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte die klagegegenständlichen Ansprüche geltend. Die Beklagte ließ die Ansprüche durch den Schriftsatz ihrer (erstinstanzlichen) Prozessbevollmächtigten vom 18.08.2022 (K3 - Bl. 17 ff. LGA) zurückweisen.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen:
Das Anschreiben unterscheide nicht hinlänglich zwischen Einzel- und Doppelzimmern und führe den Umlagemaßstab nicht an. Die Begründung für die einzelnen Kostensteigerungen sei nicht hinreichend dargetan. Die Mieterhöhung und die Instandhaltungskostensteigerungen hätten konkret beziffert werden müssen. Ferner werde der Eindruck erweckt, dass die Erhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner wirksam werde. Stattdessen hätte eine von beiden Seiten zu unterzeichnende Nachtragsvereinbarung vorgesehen werden müssen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen Heimverträge bestehen, Entgelterhöhungen geltend zu machen,
a) ohne die beabsichtigte Entgelterhöhung in den einzelnen Positionen, für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage Kostensteigerungen ergeben, kalkulatorisch nachvollziehbar zu begründen, und/oder
b) dabei den Eindruck zu erwecken, dass die geltend gemachten Entgelterhöhungen auch ohne Zustimmung der angeschriebenen Verbraucher wirksam sind,
wenn dies jeweils wie in de...