Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist behandlungsfehlerhaft, eine Teiladenomektomie (Teiladenomresektion) der Prostata ohne vorherige weiterführende Diagnostik (wie z.B. Biopsie der Prostata, Bestimmung des freien PSA-Wertes) durchzuführen, um das Vorliegen eines anderen Behandlungsmethoden unterfallenden Prostatakarzinoms auszuschließen.
2. Zur Umkehr der Beweislast für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden bei einem Verstoß gegen diese Befunderhebungspflicht.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 1, § 823 Abs. 1; BGB a.F. § 847
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 03.05.2005; Aktenzeichen 4 O 233/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 3.5.2005 abgeändert:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld i.H.v. 35.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz hieraus, die Beklagte zu 1) seit dem 8.5.2003, der Beklagte zu 2) seit dem 10.4.2003, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm zukünftig aus der Behandlung vom 3. bis 14.12.2001 in dem von der Beklagten zu 1) betriebenen Krankenhaus entstehen wird, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergeht.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des ersten Rechtszuges haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen, Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger ¼ und die Beklagten als Gesamtschuldner ¾ zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am ... 1928 geborene Kläger, selbst - allerdings seit über 25 Jahren nicht mehr praktizierender - Urologe, macht Ansprüche aus Arzthaftung nach einer Prostata-Adenomektomie am 4.12.2001 geltend. Dem liegt - zusammengefasst - Folgendes zugrunde:
Der Kläger befand sich mindestens seit 1994 in urologischer Behandlung. In diesem Jahr wurde in dem von der Beklagten zu 1) betriebenen Krankenhaus eine benigne Prostatahyperplasie (eine gutartige Vergrößerung der Prostata) diagnostiziert. In den Folgejahren befand sich der Kläger in urologischer Behandlung bei niedergelassenen Ärzten in Wo. Diese erhoben regelmäßig Laborwerte, die am 11.8.1998 einen PSA-Wert von 8,16 und am 19.10.2000 von 9,08 ergaben. Da der Kläger zunehmende Miktionsbeschwerden hatte, begab er sich vom 9.7.2001 bis zum 12.7.2001 stationär in das Krankenhaus der Beklagten zu 1). Dort wurden am 9.7.2001 ein PSA-Wert von 10,30 und am 12.7.2001 ein solcher von 9,2 sowie ein Wert des freien PSA von 1,1 (= 12 % des PSA-Wertes) festgestellt. Das Adenom war palpatorisch und nach einer transrektalen Ultraschalluntersuchung unauffällig. Dem Kläger wurde wegen der Miktionsbeschwerden zur Operation geraten, weshalb er sich am 3.12.2001 wiederum in die stationäre Behandlung in das Krankenhaus der Beklagten zu 1) begab. An diesem Tag wurde ein PSA-Wert von 10,7 festgestellt. Der freie PSA-Wert wurde nicht ermittelt. Am 3.12.2001 wurde der Kläger über die Risiken einer endoskopischen Operation bei gutartiger Vorsteherdrüsenvergrößerung mittels eines Aufklärungsbogens und eines Gespräches mit einem Arzt aufgeklärt. Am 4.12.2001 nahm der Beklagte zu 2) an dem Kläger eine Adenomektomie nach Millin, einen endoskopischen Eingriff, vor, bei dem ein 158g schweres Adenom der Prostata entfernt wurde. Die histologische Untersuchung des entfernten Gewebes ergab ein Prostatakarzinom Stadium pT1a mit einem Gleason - Score von 3 +2 = 5. Am 13.12.2001 betrug der PSA-Wert noch 6,6.
Am 14.12.2001 verließ der Kläger auf eigenen Wunsch das Krankenhaus. Ihm wurde empfohlen, die PSA-Werte weiter kontrollieren zu lassen.
Am 4.3.2002 betrug der PSA-Wert wieder 8,10, der des freien PSA 0,44 und am 8.4.2002 der PSA-Wert 8,99, der des freien PSA 0,60, am 6.8.2002 schließlich 10,2/0,81. Am 27.11.2002 fand daraufhin eine radikale Prostataektomie mit Lymphknotenausräumung im Westpfalz-Klinikum in ... statt. Operationsbedingt erlitt der Kläger einen Herzanfall und eine Urosepsis. Nach der Operation unterzog er sich einer stationären strahlentherapeutischen Behandlung im Klinikum Ma. vom 23.9.2003 bis zum 28.11.2003.
Der Kläger hat seine Klage in erster Instanz, mit der er ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 30.000 EUR nebst Zinsen geltend gemacht hat, auf mehrere Behandlungs- sowie Aufklärungsmängel gestützt. Er hat behauptet, es sei angesichts der vorangegangenen Befunderhebungen behandlungsfehlerhaft gewesen, eine weiterführende Diagnostik zu unterlassen (Stanzbiopsie, Schnel...