Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Haftung des bürgenden Gesellschafters nach den Regeln über Eigenkapital ersetzende Gesellschaftersicherheiten.
2. Der Bürge, der bei Abgabe seines Bürgschaftsversprechens für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung noch kein Gesellschafter und auch nicht Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, kann sich nicht auf die Regeln der so genannten Anlassrechtsprechung berufen, sondern muss eine für „alle bestehenden und künftigen – auch bedingten oder befristeten – Ansprüche” übernommene Formularbürgschaft in vollem Umfang gegen sich gelten lassen, wenn er auch zu Zeiten, zu denen ihm die Gesellschafter- oder Geschäftsführerstellung fehlte, Art und Umfang der von ihm verbürgten Kredite kannte und auf Grund seiner faktischen Stellung im Stande war, den Umfang der Kreditaufnahme zu bestimmen.
Normenkette
GmbHG §§ 30-31, 32a Abs. 2; GmbHG § Abs. 3 S. 2; GmbHG § 32b Abs. 1; GmbHG § Abs. 2; BGB § 765; AGBG §§ 3, 9
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 7 O 451/99) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 8.9.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 225.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
IV. Der Wert der Beschwer wird für die Beklagten auf jeweils 184.892,83 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten nach den Regeln über eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen auf Zahlung in Anspruch.
Die Beklagten waren Gesellschafter einer Firma P.T. GmbH mit Sitz in B. (fortan: Gemeinschuldnerin oder Gesellschaft). Wegen der Höhe und der Entwicklung ihrer Beteiligungen am Stammkapital der Gesellschaft wird auf die zu den Akten gereichte Aufstellung (Bl. 126 d.A.) verwiesen. Geschäftsführerin der Gesellschaft war die Beklagte zu 1).
Mit Urkunde vom 9.11.1987 (Bl. 29 d.A.) übernahm die Beklagte zu 1) gegenüber der Bank M. die unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Ansprüche gegen die Gemeinschuldnerin. Eine gleichlautende Bürgschaftserklärung (Bl. 31 d.A.) unterzeichnete der Beklagte zu 2) am 27.10.1988.
Nachdem ihr die Bank alle Kredite gekündigt hatte, wechselte die Gemeinschuldnerin im Frühjahr 1997 zu der Sparkasse B. als Geschäftsbank. Ihre Kredite bei der Bank zahlte sie bis auf einen Betrag von 200.000 DM zurück. In dieser Höhe führte die Bank die Kredite unter Rücknahme der Kündigung weiter.
Auf Gläubigerantrag vom 11.11.1997 und Eigenantrag vom 18.12.1997 ordnete das AG Neustadt an der Weinstraße über das Vermögen der Gemeinschuldnerin mit Beschluss vom 6.1.1998 – N 89/97 – zunächst Sequestration an.
Am 9.2.1998 bestanden Forderungen der Bank gegen die Gemeinschuldnerin i.H.v. 192.293,59 DM aus der Finanzierung von zwei Omnibussen. Die Busse waren an die Bank sicherungsübereignet. Am 9.3.1998 verwertete die Bank ihr Sicherungseigentum und erlöste daraus 184.892,83 DM. Die Bürgschaften vom 9.11.1987 und vom 27.10.1988 gab sie jeweils mit Schreiben vom 12.3.1998 gegenüber den Beklagten frei.
Mit Beschluss des AG Neustadt an der Weinstraße vom 25.3.1998 – N 89/97 – wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der Kläger bestellt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Bürgschaften der Beklagten seien nach den Regeln über Eigenkapitalersatz zu behandeln. Der Betrag, in dessen Höhe die Beklagten durch die Verwertung der Busse von ihren Bürgschaftsverpflichtungen frei geworden seien, hätten sie an die Gemeinschuldnerin zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 184.892,93 DM zzgl. 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben die Ansicht vertreten, ihre Bürgschaften seien insoweit, als sie den Betrag von 90.000 DM überstiegen, unwirksam, weil bei Abgabe der Bürgschaftserklärungen nur in dieser Höhe Gesellschaftsverbindlichkeiten bestanden hätten. Ohnehin komme eine Haftung aus den Bürgschaften nur in Höhe der nach Verwertung des Sicherungsgutes verbleibenden Verbindlichkeiten in Betracht. Die Eigenkapitalersatzregeln seien deshalb nicht anwendbar, weil die Finanzierung der Omnibusse für eine Firma K. erfolgt sei. Eine Entziehung von Sicherheiten zu Lasten der Gemeinschuldnerin liege auch deshalb nicht vor, weil mit der Bank eine vorrangige Verwertung der Busse vereinbart gewesen sei. Im Übrigen habe die Gesellschaft nur ihre Geschäftsbank gewechselt und sei zum Zweck der ...