Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung einer Belegärztegemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Haftung nach den Grundsätzen zur ärztlichen Gemeinschaftspraxis, wenn die Ärzte als Belegärzte im selben Krankenhaus tätig sind und die in der Einzelpraxis einer dieser Ärzte begonnene ambulante Behandlung eines Patienten in diesem Krankenhaus stationär fortgesetzt wird.
2. Wenn denn Belegärzte eines Krankenhauses ggü. Patienten des Krankenhauses bei deren stationären Behandlung gemeinschaftlich - als Belegärztegemeinschaft - auftreten, ist es der Interessenlage und der Verkehrsauffassung zu entnehmen, dass der Patient regelmäßig zu allen Belegärzten in vertragliche Beziehungen treten will, weil es auf der Hand liegt, dass er die haftungsrechtlichen Vorteile der Gemeinschaftspraxis nutzen will. Dies gilt auch dann, wenn der Patient vor seiner stationären Aufnahme im Rahmen der ambulanten Behandlung nur zu einem der Belegärzte alleine in vertraglichen Beziehungen stand.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 278
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 07.05.2003; Aktenzeichen 4 O 772/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 7.5.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die beiden beklagten Gynäkologen und Geburtshelfer waren (jedenfalls seit 1983) als Belegärzte an der Privatklinik ...-... in K. tätig. Dort wurde am 23.8.1983 der Kläger geboren. Die Geburt leitete Dr. Sch., damals ebenfalls ein Belegarzt der Klinik. Ein weiterer damaliger Belegarzt, der Zeuge Dr. R. hatte die Mutter des Klägers zuvor während ihrer Schwangerschaft in seiner Praxis ambulant betreut und später in stationäre Behandlung eingewiesen.
Die Dres. Sch. und R. sind in zwei vorangegangenen Zivilverfahren rechtskräftig zur Leistung von Schadenersatz wegen der vom Kläger bei seiner Geburt erlittenen, erheblichen Gesundheitsschäden verurteilt worden (LG Kaiserslautern, Urt. v. 12.11.1999 - 2 O 645/94 - Bl. 7 ff. d.A.; OLG Zweibrücken, Urt. v. 8.8.2000 - 5 U 33/99; LG Kaiserslautern, Urt. v. 13.3.2002 - 4 O 94/01 - Bl. 27 ff. d.A.). Die Richtigkeit dieser Urteile und der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen zum Vorliegen grober, ärztlicher Behandlungsfehler und zu den dadurch verursachten Körperschäden des Klägers ist zwischen den Parteien im vorliegenden Verfahren unstreitig.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung der - zusammen mit den beiden bereits verurteilten Ärzten gesamtschuldnerischen - Ersatzpflicht der beiden Beklagten für die ihm entstandenen und in Zukunft noch entstehenden, materiellen Schäden infolge der ärztlichen Behandlungsfehler bei seiner Geburt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten und die beiden bereits verurteilten Ärzte hafteten gesamtschuldnerisch aus Vertrag, weil sie eine "Belegärztegemeinschaft" bildeten, mit der der Behandlungsvertrag zustande gekommen sei. Die Beklagten sind dem entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in erster Instanz und des Klageantrages verweist der Senat auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils.
Das LG hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung des Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Rechtsansicht des LG zum Vorliegen der Voraussetzungen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung zusammen mit den beiden bereits verurteilten Belegärzten angreifen. Dagegen verteidigt der Kläger das angegriffene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch zweimalige Vernehmung des Zeugen Dr. R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 4.5.2004 (Bl. 272 ff. d.A.) und vom 12.10.2004 (Bl. 343 ff. d.A.) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zu dem angestrebten Erfolg. Das LG hat im Ergebnis zu Recht eine gesamtschuldnerische Haftung auch der Beklagten neben den bereits verurteilten Belegärzten aus positiver Verletzung eines ärztlichen Behandlungsvertrages bejaht. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagten ist gegeben. Soweit es sich dabei zum Teil um Ansprüche auf künftige Leistungen handelt, ist deretwegen unbeschadet einer möglichen Leis...