Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Umbettung Verstorbener. Totenfürsorge
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Recht der Totenfürsorge des Angehörigen ergibt sich aus der Nachwirkung des familienrechtlichen Verhältnisses, das den Toten zu Lebzeiten mit den überlebenden Angehörigen verbunden hat.
2. Die Totenfürsorge umfasst auch das Recht über Fragen der Umbettung der Leiche oder Urne zu entscheiden, soweit sie dem geäußerten Willen des Verstorbenen oder seinem mutmaßlichen oder falls keines von beiden feststellbar ist, dem sittliche gerechtfertigten Verlangen des zur Totenfürsorge berufenen Anghörigen entspricht.
Normenkette
BGB § 1968
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 17.11.1992; Aktenzeichen 7 O 1552/92) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. November 1992 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 000,– DM vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf 2 000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Töchter ihrer im Jahre 1963 bzw. 1967 verstorbenen Eltern, die auf dem Friedhof … … beerdigt sind. Es leben außerdem noch zwei Schwestern der Parteien. Das Nutzungsrecht am Grab, das auf die Beklagte lautete, ist im Mai 1992 abgelaufen. Infolgedessen soll das Grab nunmehr abgeräumt werden. Eine Verlängerung des Nutzungsrechts kommt nach der Friedhofsordnung nicht in Betracht, weil es sich um ein Reihengrab handelt.
Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1963 hatte die Mutter der Parteien die Grabstelle ausgesucht. Sie wollte eines Tages bei ihrem Ehemann begraben werden. Als die Mutter die Grabstätte auswählte, bestand die Möglichkeit, ein Grab zu kaufen oder zu mieten. Da sich die Kinder an dem Ankauf nicht beteiligten, wünschte die Mutter ein Mietgrab mit einer Nutzungsdauer von 25 Jahren.
Die Klägerin möchte auf ihre Kosten und mit Zustimmung ihrer Schwester … eine Umbettung der Gebeine der Eltern in ein anderes Grab auf dem Friedhof … erreichen. Die Beklagte und ihre Schwester … weigern sich, gegenüber dem Friedhofrsamt … hierzu ihre Zustimmung zu geben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen; Sie sei mit einer Umbettung deswegen nicht einverstanden, weil sich in der Grabstätte die Gebeine verschiedener Toter befänden, so daß eine Zuordnung zu einem bestimmten Leichnam nicht möglich sei; es könne nicht gewährleistet werden, daß tatsächlich ihre Eltern umgebettet würden. Die Gebeine der Eltern sollten dort unangetastet verbleiben, wo sie beerdigt seien. Auch wenn die jetzige Grabstätte abgeräumt werde, wisse sie genau, daß an dieser Stelle ihre Eltern beerdigt seien.
Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat durch Urteil des Einzelrichters vom 17.11.1992 der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte sei verpflichtet, ihre Zustimmung zur Umbettung der Eltern der Parteien zu erteilen, weil nur so das Andenken der Verstorbenen in geziemender Weise wachgehalten werden könne. Darauf habe die Klägerin als Tochter der Verstorbenen ein Recht. Die Vermutung der Beklagten, die Gebeine ihrer Eltern könnten nicht zweifelsfrei identifiziert werden sei, sei unzutreffend. Das Friedhofsamt verfüge über einen genauen Plan, in dem die Lage der Särge festgehalten sei, so daß die Identifizierung der Toten ohne weiteres möglich sei. Das bloße Sammeln der Gebeine auf dem Boden der Grabstätte außerhalb der Särge stelle keine angemessene Ruhestätte dar, weil das Nutzungsrecht der Grabstätte an Dritte übertragen werde, womit auch ein Wechsel des Grab- oder Gedenksteines verbunden sei. Eine unzulässige Störung der Totenruhe sei mit der Umbettung nicht verbunden. Die Umbettung sei vielmehr erforderlich, um das Andenken an die Verstorbenen an einer anderen Grabstätte wachzuhalten. Das bloße Verscharren der Gebeine auf der ursprünglichen Grabstätte im Wege des Abräumens der Grabstätte würde demgegenüber einen ungleich härteren Eingriff bedeuten.
Gegen dieses ihr am 07.12.1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.01.1993, eingegangen am 07.01.1993, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.01.1993, eingegangen am 18.01.1993, begründet.
Sie trägt vor: Mit einer Umbettung sei sie niemals einverstanden gewesen; sie sei es auch jetzt nicht, selbst wenn die Gebeine der Eltern vollständig und so geborgen werden könnten, daß keine fremde Gebeine darunter wären. Man solle die Toten da ruhen lassen, wo sie einmal bestattet worden sind. Die Klägerin müsse den ausdrücklich geäußerten Wunsch der Mutter hinsichtlich des Bestattungsortes respektieren. Es seien keine berechtigten Gründe ersichtlich, von dem willen der verstorbenen Eltern abzuweichen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:...