Leitsatz (amtlich)
Zur augenärztlichen Behandlung einer intraokularen Infektion bzw. Endophtalmitis nach Kataraktoperation durch Vitrektomie.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 22.05.2002; Aktenzeichen 4 O 324/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil der 4. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 22.5.2002 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf eine Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 12.000 Euro abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1922 geborene, jetzt 81 Jahre alte Klägerin nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit einer augenärztlichen Behandlung auf Schmerzensgeld und Rentenzahlung in Anspruch.
Die Klägerin befand sich seit dem Jahr 1997 in augenärztlicher Behandlung bei dem Beklagten wegen beidseitigen grauen und grünen Stars. Nach operativen Eingriffen in den Jahren 1998 und 1999 an beiden Augen wurde am 5.5.1999 links eine ambulante Kataraktoperation mit Implantation einer Kunstlinse vorgenommen. Eine schriftliche Einverständniserklärung der Klägerin datiert vom 15.2.1999.
Bei der zweiten postoperativen Kontrolle am 8.5.1999 stellte der Beklagte eine intraokulare Infektion des operierten Auges fest, die er bei Gabe von Schmerzmitteln und Corticoiden konservativ mit Antibiotika (anfangs intravenös, später oral) behandelte. Am 10.5.1999 war der Klägerin mit dem linken Auge nur noch ein Hell-Dunkel-Sehen möglich. In der Folgezeit erblindete die Klägerin auf diesem Auge vollständig. Es bestand weiterhin eine Schmerzsymptomatik.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erblindung sei auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen. Nach Feststellung der Augeninfektion hätte umgehend eine Vitrektomie vorgenommen und/oder intraokulare bzw. intravitriale Antibiotikagaben verabreicht werden müssen. Sie sei vor der Operation vom 5.5.1999 auf das Risiko einer Erblindung nicht hingewiesen worden. Auf die schriftliche Einverständniserklärung vom 15.2.1999 könne sich der Beklagte schon wegen des zeitlichen Abstandes nicht mehr berufen. Der Beklagte habe sie auf die Möglichkeit der Vitrektornie als Behandlungsalternative nicht hingewiesen.
Infolge der Erblindung sei sie auf fremde Hilfe für die Führung des Haushaltes angewiesen, den sie zuvor in vollem Umfang habe versorgen können.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie ein Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 80.000 DM, zu zahlen;
2. an sie eine lebenslängliche, vierteljährlich vorauszahlbare, monatliche Rente seit 1.6.1999 in Höhe eines Betrages zu zahlen, dessen Festsetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 600 DM.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, der Krankheitsverlauf bei der Klägerin sei schicksalhaft. Die von ihm gewählte Behandlungsmethode sei jedenfalls vertretbar. Die konservative Behandlung habe die Ausgangssituation für ein operatives Vorgehen schaffen sollen. Zu einer Vitrektomie sei es dann jedoch wegen einer nicht vorhersehbaren, mit der Entzündung nicht in Zusammenhang stehenden Komplikation nicht mehr gekommen. Die Klägerin sei vor einer gleichartigen Operation am rechten Auge im Februar 1999 aufgeklärt worden. Die Möglichkeit einer Vitrektomie sei nach Auftreten der Infektion mit der Klägerin wiederholt besprochen worden.
Das LG hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie eines mündlich erstatteten Zusatzgutachtens die Haftung des Beklagten durch das angefochtene Grundurteil festgestellt. Ein Behandlungsfehler liege jedenfalls in dem weiteren Zuwarten des Beklagten mit einem operativen Eingriff über den 10.5.1999 hinaus. Die Erblindung der Klägerin sei hierdurch kausal verursacht worden. Der Beklagte hafte darüber hinaus auch wegen unzureichender Aufklärung über Behandlungsalternativen nach Auftreten der Entzündung. Der Beklagte habe eine entsprechende Aufklärung nicht dokumentiert und sei als beweisfällig anzusehen.
Der Beklagte hat gegen das Urteil des LG Berufung eingelegt. Er trägt noch vor, die Kammer sei zu Unrecht von einem Kausalitätsnachweis des Behandlungsfehlers für eine Erblindung der Klägerin ausgegangen. Der Sachverständige Prof. V. habe in seinem schriftlichen Gutachten eine Erblindung des linken Auges auch bei einer regelrecht durchgeführten Operation nicht ausschließen können. Das mündliche Gutachten von Prof. K. habe nichts anderes ergeben. Die von Letzterem zitierte Studie sei auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen, da hierfür von vornherein Patienten ohne weiter gehende Risiken ausgewählt worden seien.
Die Prüfung eines anderweitigen Kausalverlaufs, die das LG im Urteil angestellt habe, beruhe a...