Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten bei Umzug zu Lebensgefährten
Leitsatz (amtlich)
Allein darin, dass die zum nachehelichen Unterhalt verpflichtete geschiedene Ehefrau ihren Wohnsitz in die Nähe zu ihrem Lebensgefährten verlegt und infolge der dort bestehenden Arbeitsmarktsituation nur noch ein geringeres Erwerbseinkommen erzielen kann, liegt noch kein unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten, das die Zurechnung fiktiver Einkünfte gerechtfertigt.
Normenkette
BGB § 1572 Nr. 1, § 1578 Abs. 1, § 1581
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Urteil vom 23.03.2007; Aktenzeichen 5a F 537/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Ludwigshafen am Rhein vom 23.3.2007 geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger nachehelichen Unterhalt wie folgt zu zahlen:
- für den Monat August 2006 298,89 EUR,
- für den Monat September 2006 189 EUR,
- ab dem Monat März 2007 monatlich 41 EUR.
Der ab dem Monat Dezember 2007 zu zahlende Unterhalt ist jeweils zum Ersten eines Monats zu entrichten.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien haben am ... geheiratet und sind seit ... rechtskräftig geschieden.
Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Am ... musste sich der Kläger einer schweren Kopfoperation unterziehen und ist seither Frührentner. Er bezieht Einkünfte aus Rente und Berufsunfähigkeitsversicherung i.H.v. insgesamt rund 1.074 EUR monatlich.
Bis einschließlich September 2006 lebte und arbeitete die Beklagte in H. Ihre Nettoeinkünfte aus vollschichtiger Tätigkeit bei der Firma N. mit Sitz in H. beliefen sich monatlich auf 2 379,99 EUR.
Im Herbst 2006 zog die Beklagte nach L. die Nähe ihres Lebensgefährten. Seit Oktober 2006 ist sie vollschichtig bei der Firma S. mit Sitz in W. beschäftigt; ihre Nettoeinkünfte belaufen sich - wie zwischen den Parteien unstreitig - nur noch monatlich auf gerundet 1.450 EUR.
Die Beklagte hatte auf die Prozesskosten des Scheidungsverfahrens ab September 2006 bis einschließlich Januar 2007 monatliche Raten i.H.v. 300 EUR zu entrichten; im Februar 2007 leistete sie die Schlussrate i.H.v. 179,64 EUR.
Im Januar 2007 erhielt die Beklagte im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens Kenntnis von der Unterhaltsklage des Klägers.
Die Beklagte zahlte bis einschließlich Oktober 2006 Unterhalt an den Kläger i.H.v. monatlich 150 EUR.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 448 EUR ab August 2006 begehrt. Die monatlichen Zahlungen der Beklagten i.H.v. 150 EUR für den Zeitraum August bis einschließlich Oktober 2006 hat er bei seinem Klageantrag berücksichtigt.
Mit Urteil vom 23.3.2007 hat das FamG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei unterhaltsrechtlich gehalten gewesen, von einem Umzug nach L., verbunden mit erheblich niedrigeren Einkünften, abzusehen. Zumindest habe sie sich nachhaltig darum bemühen müssen, eine Arbeitsstelle mit Einkünften auf gleichem Niveau zu finden. Daher seien ihr die früher in H. erzielten Nettoeinkünfte weiterhin fiktiv zuzurechnen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des FamG als zutreffend und macht geltend, es sei ihr nicht möglich gewesen, eine Arbeitsstelle mit höheren Einkünften - als von ihr derzeit erzielt - zu finden.
II. Das - zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache nur geringfügigen Erfolg.
1. Grundsätzliches zu Grund und Höhe des Unterhaltsanspruchs des Klägers
A. Dem Kläger steht ein Unterhaltsanspruch gem. § 1572 Nr. 1 BGB - Krankheit zum Zeitpunkt der Ehescheidung - zu, nachdem er bereits ein Jahr nach der Heirat infolge einer schweren Kopfoperation erwerbsunfähig erkrankt ist und lediglich Renten wegen Erwerbsunfähigkeit i.H.v. monatlich insgesamt rund 1.074 EUR bezieht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger zu den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1578 Abs. 1 BGB ausreichenden Vortrag gehalten; eheprägend waren demnach einerseits die Renteneinkünfte des Klägers sowie andererseits die Nettoeinkünfte der Beklagten aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit.
1.2. Der Senat sieht den Umzug der Beklagten von H. zu ihrem Lebensgefährten in die P. und den damit verbundenen Arbeitsplatzwechsel nicht als unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten an.
Der Arbeitsplatzverlust führt bei Unterhaltsberechtigten wie auch Unterhaltsverpflichteten grundsätzlich dann zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens, wenn er durch ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten herbeigeführt worden ist. Leichtfertig handelt nach der Rechtsprechung des BGH derjenige, der die unterhaltsrech...