Kommentar
Sachverhalt:
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Mitgliedstaat (hier Österreich), der in Anwendung von Artikel 13 Teil C Buchst. a der 6. EG-Richtlinie für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ein Optionsrecht geregelt hat, die Ausübung der Option bzw. das damit verbundene Recht auf Vorsteuerabzug für Vermietungsumsätze eines gemeinnützigen Sportvereins verweigern kann.
Der Kläger hatte ein Vereinshaus mit Restauranteinrichtung errichtet und den Restaurantteil steuerpflichtig an einen Fremdbetreiber verpachtet. Dementsprechend machte der Verein aus den Herstellungskosten des Gebäudes anteilig den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug mit der Begründung ab, dass ein gemäß § 6 Abs. 1 Z. 14 UStG 1994"unecht befreiter" Sportverein nicht unter Ausübung des Optionsrechts auf die Steuerbefreiung für Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken verzichten könne. Die persönliche Steuerbefreiung zugunsten von gemeinnützigen Sportvereinen gemäß § 6 Abs. 1 Z. 14 UStG 1994 gehe der Steuerbefreiung für Umsätze der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nach § 6 Abs. 1 Z. 16 UStG 1994 vor.
Das Vorlagegericht hatte den EuGH darauf hin um Vorabentscheidung gebeten, ob ein Mitgliedstaat sein Wahlrecht nach Artikel 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie, den Unternehmern ein Optionsrecht zur Steuerpflicht der Vermietung von Grundstücken einzuräumen, nur einheitlich ausüben oder dabei auch nach der Art der Umsätze oder nach Gruppen von Unternehmern unterscheiden darf. Es hatte speziell gefragt, ob ein Mitgliedstaat, der das Optionsrecht für Vermietungsumsätze zulässt, gemeinnützige Sportvereine von der Optionsmöglichkeit ausschließen kann.
Entscheidung:
Der EuGH bezieht sich auf seine frühere Rechtsprechung, wonach Artikel 13 Teil C die Mitgliedstaaten ermächtigt, ihren Steuerpflichtigen das Optionsrecht einzuräumen, aber auch den Umfang dieses Rechts einzuschränken oder es ganz aufzuheben (vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C-487/01 und C-7/02, Gemeente Leusden und Holin Groep). Den Mitgliedstaaten steht dabei ein weites Ermessen zu. Daher können die Mitgliedstaaten auch bestimmte Umsätze oder bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen vom Optionsrecht ausnehmen. Sie müssen sich dabei jedoch insbesondere am Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer orientieren, wonach alle wirtschaftlichen Tätigkeiten gleich zu behandeln sind. Gleiches gilt für Unternehmer, die die gleichen Umsätze bewirken. Gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Umsätze dürfen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden. Die Identität des Unternehmers und seine Rechtsform, in der er seine Tätigkeiten ausübt, sind für die Prüfung der Gleichartigkeit der Umsätze grundsätzlich nicht von Bedeutung (vgl. EuGH, Urteil v. 17.2.2005, C-453/02 und C-462/02, Linneweber und Akritidis).
Weiter hat der EuGH entschieden, dass Vermietungsumsätze eines gemeinnützigen Sportvereins grundsätzlich vom Optionsrecht ausgeschlossen werden können. Artikel 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie schreibt nicht vor, unter welchen Voraussetzungen und Modalitäten der Umfang des Optionsrechts beschränkt werden kann. Es ist daher Sache jedes Mitgliedstaats, in seinem innerstaatlichen Recht den Umfang des Optionsrechts festzulegen. Hier ist jedoch wiederum der Neutralitätsgrundsatz zu beachten. Dieser kann verletzt sein, wenn ein Sportverein, dessen satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung des Sports ist, nicht die Möglichkeit hätte, zur Besteuerung zu optieren, während diese Möglichkeit anderen Unternehmern offen steht, die gleichartige Tätigkeiten ausüben und daher mit dem Sportverein hinsichtlich dieser Tätigkeiten in Wettbewerb stehen. Der EuGH überlässt die Einzelfallprüfung dem jeweiligen nationalen Gericht. Dieses hat festzustellen, ob gegen das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der in Artikel 13 Teil B der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen verstoßen wurde. Hierbei hat es insbesondere zu beachten, dass das System der Steuerbefreiungen nach der 6. EG-Richtlinie nur insoweit eine unterschiedliche Behandlung der von Vereinigungen ohne Gewinnstreben bewirkten Umsätze vorsieht, als diese mit dem Sport zusammenhängen und gegenüber Sport treibenden Personen bewirkt werden. In diesem Fall sind diese Umsätze aus Gründen des öffentlichen Interesses steuerfrei.
Hinweis:
Gemessen an diesen Kriterien dürfte das österreichische Vorlagegericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Ausschluss des Optionsrechts für die gewerbliche Vermietung durch den Sportverein dann unzulässig war, wenn vergleichbare Vermietungen anderer Unternehmer (keine Sportvereine) dem Optionsrecht unterliegen. Für das deutsche Umsatzsteuerrecht hat das Urteil kaum Bedeutung. Eine Einschränkung des Optionsrechts nach der Art des Unternehmers ist in § 9 UStG nicht enthalten.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 12.01.2006, C-246/04