Leitsatz
1. Räumen die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das in Art. 13 Teil C der 6. EG-RL vorgesehene Recht ein, für eine Besteuerung zu optieren, so können sie nach der Art der Umsätze oder nach Gruppen von Steuerpflichtigen unterscheiden, sofern sie die Ziele und die allgemeinen Grundsätze der 6. RL, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen, beachten.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts festzustellen, ob eine nationale Rechtsvorschrift, die die Umsätze gemeinnütziger Sportvereine generell von der Steuer befreit und dabei das Recht dieser Sportvereine beschränkt, für eine Besteuerung der Vermietungs- und Verpachtungsumsätze zu optieren, das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen unter Berücksichtigung insbesondere des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität und des Erfordernisses einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Steuerbefreiungen überschreitet.
Normenkette
Art. 13 Teil A Buchst. m, Art. 13 Teil B Buchst. b, Art. 13 Teil C Abs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 22, § 4 Nr. 25, § 4 Nr. 12, § 9 UStG)
Sachverhalt
Turn- und Sportunion Waldburg (gemeinnütziger Verein) erweiterte sein Vereinshaus (teilweise sollte es dem Sportbetrieb gewidmet, teilweise als Buffet genutzt und an einen Betreiber verpachtet werden). Der Verein wollte vergeblich die VSt für den verpachteten Teil. Die österreichische Verwaltung meinte, die Befreiung für gemeinnützige Vereine gehe derjenigen für die Grundstücksverpachtung vor.
Entscheidung
Der EuGH gab für die Entscheidung des österreichischen VGH folgende Hinweise, die analog auf andere Fallkonstellationen übertragen werden können:
Die österreichische Regelung befreite "die Umsätze gemeinnütziger Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Zweck die Ausübung und Förderung des Körpersports ist" (Ausnahme: wirtschaftliche Geschäftsbetriebe). Zu prüfen sei, ob die Anwendung einer generellen Steuerbefreiung für alle von Sportvereinen ohne Gewinnstreben bewirkten Umsätze einschließlich der Vermietung von Grundstücken den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletze. Vorrangig ist aber – wie aus dem Duktus der Entscheidung hervorgeht – die Frage, ob die nationale Befreiung sich in dem EG-rechtlich erlaubten Rahmen hält. Der VGH hatte insoweit schon ausgeführt, seiner Auffassung nach falle die Vermietung des Buffets nicht unter Art. 13 Teil A Buchst. m der 6. EG-RL (Rd.Nr. 41). Dann kam es nur noch darauf an, ob die nationalen Optionsvorschriften für die Verpachtungsumsätze den EG-rechtlichen Ermessensspielraum einhalten und ob der Steuerpflichtige diese Voraussetzungen erfüllt hat.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft die Steuerbefreiung für Vermietungsumsätze mit Optionsmöglichkeit (Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL – vgl. § 4 Nr. 12 UStG – und Art. 13 Teil C der 6. EG-RL – § 9 UStG) und die Befreiung für "bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" (in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der 6. EG-RL), die im UStG nicht deckungsgleich umgesetzt ist (vgl. § 4 Nrn. 22 und 25).
Beachten Sie: Der Gerichtshof entscheidet in einem Vorabentscheidungsverfahren weder über die Erheblichkeit der von einem nationalen Gericht vorgelegten Fragen noch über die Auslegung nationaler Rechtsvorschriften oder darüber, ob diese vom vorlegenden Gericht zutreffend ausgelegt worden sind (Rd.Nr. 20). Die Entscheidung des EuGH betrifft nur die Auslegung des europäischen Rechts, ist aber im Weg der richtlinienkonformen Auslegung für das nationale Recht von Bedeutung.
Gefragt war, ob die Mitgliedstaaten, wenn sie ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung zu optieren, nach der Art der Umsätze oder nach Gruppen von Steuerpflichtigen unterscheiden können.
Hierzu betont der EuGH:
1. Die Befreiungsvorschriften sollen mit den gemeinschaftsrechtlichen Begriffen eine unterschiedliche Anwendung in den Mitgliedstaaten verhindern. Gemeinschaftsrechtlich verbindliche Befreiungen gelten daher, wenn und soweit der Mitgliedstaat von einer ihm durch die 6. EG-RL eingeräumten Möglichkeit, dem Steuerpflichtigen ein Optionsrecht einzuräumen, keinen Gebrauch gemacht hat.
Bei der Gestaltung des Optionsrechts haben die Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum, weil die 6. EG-RL auch das Recht einräumt, das Optionsrecht einzuschränken oder es ganz aufzuheben (Rd.Nr. 28). Sie müssen aber den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen beachten.
Das bedeutet:
- alle gleichartigen und deshalb im Wettbewerb stehenden Tätigkeiten sind gleich zu behandeln,
- die Identität des Unternehmers und die Rechtsform, in der er diese Tätigkeiten ausübt, sind grundsätzlich ohne Bedeutung.
Ob diese Voraussetzungen eingehalten sind, muss da...