Leitsatz
Auch wenn der Vermieter, der eine andere Wohnung in demselben Haus bewohnt, die vermietete Wohnung nicht nur überwiegend, sondern ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit nutzen will, ist das hierdurch begründete Interesse gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses den in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten gesetzlichen Kündigungsgründen gleichwertig (Fortsetzung von BGH, Beschluss v. 5.10.2005, VIII ZR 127/05, NZM 2005 S. 943).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 573 Abs. 1 Satz 1
Kommentar
Die Entscheidung ist zu einem Mehrfamilienhaus ergangen. Eine der Wohnungen wird vom Vermieter und seiner Ehefrau bewohnt, die anderen Wohnungen sind vermietet. Mit Schreiben vom 2.11.2009 kündigte der Vermieter eine der vermieteten Wohnungen mit der Begründung, dass er die Räume für seine Ehefrau benötige. Diese habe die Absicht, in der Wohnung eine Anwaltskanzlei zu betreiben. Der BGH hatte über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden.
Als Kündigungsgrund kommt hier § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Danach kann der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis kündigen, "wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat". Aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB folgt, dass ein solches Interesse auch dann anzunehmen ist, wenn der Vermieter die Räume "als Wohnung" für sich oder einen Familienangehörigen benötigt.
Aus dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ("als Wohnung") wird in der Literatur hergeleitet, dass eine Nutzung der Räume zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken keine Kündigung rechtfertigt (Rolfs, in Staudinger (2011), § 573 BGB Rdn. 95) oder nur unter den Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich ist (Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 573 BGB Rdn. 163).
Jedoch hat der BGH bereits im Jahr 1995 in einem Beschluss über die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren entschieden, dass ein Kündigungsgrund i.S.v. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann vorliegen kann, wenn der Vermieter die Räume nur teilweise zu Wohnzwecken, überwiegend aber zu gewerblichen Zwecken nutzen will. Zur Begründung dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass das Interesse eines Eigentümers an der Nutzung der Räume zu gewerblichen Zwecken im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit nicht geringer zu bewerten sei als der Bedarf zu Wohnzwecken.
Hier ging es allerdings nicht um eine Mischnutzung, sondern ausschließlich um die gewerbliche Nutzung. Nach Ansicht des BGH ist in diesen Fällen ebenfalls "ein dem Kündigungsgrund des Eigenbedarfs ... artverwandtes Interesse" gegeben. Dies gelte "umso mehr, wenn sich ... die selbst genutzte Wohnung des Vermieters und die an die Mieter vermietete Wohnung in demselben Haus befinden" (Rz. 17).
Frage bleibt ungeklärt, wenn Vermieter anderes Gebäude bewohnt
Ob der Vermieter ein Wohnungsmietverhältnis auch dann kündigen kann, wenn er nicht im selben Gebäude wohnt, kann der Entscheidung nicht eindeutig entnommen werden. Die Ausführungen unter Rz. 17 lassen eine solche Interpretation zu. Der Wortlaut des amtlichen Leitsatzes spricht dagegen. Hier muss die weitere Entwicklung abgewartet werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Versäumnisurteil v. 26.9.2012, VIII ZR 330/11, NJW 2013 S. 225