Leitsatz
Die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum durch den Vermieter wegen schuldhafter nicht unerheblicher Vertragsverletzung des Mieters (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) setzt nicht eine Abmahnung des Mieters durch den Vermieter voraus. Allerdings kann der Abmahnung für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 1
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis zu einer monatlichen Miete von 215,66 EUR plus 63,65 EUR Betriebskostenvorauszahlung, insgesamt 279,31 EUR.
Der Vermieter hat den Mieter nach Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen gem. § 559 BGB auf Zahlung einer erhöhten Miete in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage durch Urteil vom 11.11.2004 teilweise stattgegeben. Es hat entschieden, dass sich die Grundmiete ab April 2003 von 215,66 EUR um 71,56 EUR auf 287,22 EUR monatlich erhöht hat. Der Mieter wurde zur Zahlung des Mietrückstands vom April 2003 bis Oktober 2004 (19 x 71,56 EUR = 1.359,64 EUR) verurteilt. Der Mieter hat gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt. Den titulierten Mietrückstand hat er gleichwohl zunächst nicht bezahlt.
Mit Schreiben vom 8.11.2004 hat der Vermieter über die Betriebskosten für das Jahr 2003 abgerechnet. Die Abrechnung ergab eine Nachzahlung von 1.524,56 EUR. Zugleich hat der Vermieter den Mieter aufgefordert, ab Januar 2005 eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 191 EUR zu bezahlen. Dieser Aufforderung ist der Mieter nicht gefolgt. Vielmehr hat er auch in der Folgezeit lediglich eine Grundmiete von 215,66 EUR plus Betriebskostenvorauszahlungen von 63,65 EUR geleistet.
Mit Schreiben vom 15.9.2005 hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos und hilfsweise fristgemäß gekündigt. Der Mieter hat daraufhin am 25.10.2005 "unter Vorbehalt" folgende Zahlungen geleistet:
Betriebskostenvorauszahlungen Januar bis Oktober 2005: 1.273,50 EUR.
Dies entspricht einer monatlichen Betriebskostenvorauszahlung von 127,35 EUR. Es handelt sich um die Differenz zwischen den bezahlten Betriebskostenvorauszahlungen (63,65 EUR) zu den geforderten Vorauszahlungen (191 EUR).
Mietrückstand von April 2003 bis Oktober 2005: 2.218,36 EUR.
Dies entspricht einer monatlichen Zahlung von 71,56 EUR und damit der vom Amtsgericht ausgesprochenen Mieterhöhung ab April 2003.
- Im November und Dezember 2005 hat der Mieter wiederum nur 279,31 EUR bezahlt.
Durch die Zahlungen wurden die bis zum Oktober 2005 bestehenden Rückstände getilgt. Die fristlose Kündigung wurde auf diese Weise unwirksam (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Es war zu entscheiden, ob die hilfsweise erklärte ordentliche befristete Kündigung wirksam geblieben ist.
Dies wird vom BGH bejaht: Nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt ein Kündigungsgrund vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Pflichtverletzung in diesem Sinne auch dann anzunehmen, wenn der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug gerät und der Vermieter aufgrund des Verzugs zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB berechtigt wäre. Diese Voraussetzung war zweifelsfrei gegeben: Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im September 2005 war der Mieter seit 42 Monaten mit einem Teilbetrag der Grundmiete in Höhe von 71,56 EUR monatlich im Rückstand. Außerdem waren Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 9 x 127,35 EUR rückständig.
Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird eine fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Mieter den Rückstand bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage bezahlt. Dieselbe Rechtsfolge gilt, wenn der Rückstand – wie hier – vor Erhebung der Räumungsklage bezahlt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt die Vorschrift nur für die fristlose Kündigung. Eine analoge Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn die Kündigung auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt wird (BGH, WuM 2005, 205 = NZM 2005, 334 = ZMR 2005, 356; BGH, Urteil v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, unter II 1). Dies hat zur Folge, dass das Nachholrecht nicht besteht, wenn der Vermieter nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigt. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest.
Die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass den Mieter an der Pflichtverletzung ein Verschulden trifft. Auch dieses Tatbestandsmerkmal lag vor. Das Amtsgericht hat den Mieter zur Zahlung der erhöhten Miete verurteilt. Dieses Urteil hat der Mieter nicht angegriffen; für ihn konnte es deshalb nicht zweifelhaft sein, dass er zur Zahlung verpflichtet war. In den genannten Entscheidungen hat der BGH ausgeführt, dass bei der ordentlichen Kündigung eine nachträgliche Zahlung verschuldensmindernd berücksichtigt werden kann. In dem Entscheidungsfall fiel allerdings zulasten des Mieters ins Gewicht, dass er auch nach Zahlung des Rückstands nicht...