Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg ging es um die Auslegung des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 6. Spiegelstrich, sowie der Art. 17 und 18 der 6. EG-Richtlinie. Konkret war die Einordnung der Vermittlung von selbständigen Kraftfahrern an Speditionen streitig. Die Bestimmung des Leistungsorts ist dabei sowohl für die Besteuerung der Leistung selbst als auch für den Anspruch auf einen entsprechenden Vorsteuerabzug des Empfängers der Leistung von Bedeutung.
Die Klägerin, eine in Deutschland ansässige AG vermittelte im Jahr 2005 selbständig tätige Fahrer für Lastkraftwagen an Speditionen im In- und Ausland, u. a. in Italien. Die Verträge sahen vor, dass der jeweilige Fahrer der AG seine Tätigkeit in Rechnung stellte. Die AG berechnete den Speditionen ihrerseits die Kosten für die Fahrer zuzüglich eines Aufschlags.
Streitig war der Ort der Leistung, die die AG an die italienischen Spediteure erbrachte. Nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtslage war hierfür entscheidend, ob die Leistungen der AG als "Gestellung von Personal" anzusehen sind. Zu dieser Frage vertrat das für die Klägerin zuständige Finanzamt die Ansicht, dass es sich nicht um eine "Gestellung von Personal" handele und die Leistungen deshalb in Deutschland steuerpflichtig seien.
Das BZSt, das über die Vorsteuer-Vergütungsanträge der Spediteure zu entscheiden hatte, war dagegen der gegenteiligen Auffassung und sah die Leistung der AG als "Gestellung von Personal" an. Folglich sei die Leistung am Ansässigkeitsort der Leistungsempfänger in Italien zu versteuern. Daher lehnte das BZSt die Vergütung deutscher Steuer mangels einer Steuerpflicht in Deutschland ab.
Entscheidung
Der EuGH musste prüfen, ob der Begriff "Personal" in Art. 9 Abs. 2 Buchst e, 6. Spiegelstrich der 6. EG-Richtlinie Personen erfasst, die ihre Tätigkeit selbständig im Sinne des Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ausüben. Dies hat er bejaht. Unter die Vorschrift fällt nach dem Urteil - entgegen dem Vorbringen der Bundesregierung und der EU-Kommission in dem Verfahren - nicht nur die Überlassung von Personen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Leistungserbringer stehen, wie es in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie definiert wird, sondern auch die Überlassung von selbständig tätigem Personal. Allerdings entnimmt der EuGH dieses Ergebnis nicht der Vorschrift selbst, sondern begründet es mit dem Zweck einer Kollisionsnorm wie Art. 9 der 6. EG-Richtlinie, Doppelbesteuerungen und Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Außerdem vereinfache die Auslegung die Steuererhebung, weil der Leistungsempfänger das Rechtsverhältnis zwischen dem leistenden Unternehmen und dem gestellten Personal nicht hinterfragen müsste. Die Entscheidung des EuGH liegt auf der Linie der vorhergehenden Urteile zum Ort der Leistung, die prinzipiell den spezifischen Bestimmungen nach Art. 9 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie den Vorrang vor Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie geben.
Zur zweiten Frage des FG Hamburg musste der EuGH prüfen, ob im nationalen Verfahrensrecht besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit die Steuerbarkeit und Steuerpflicht einer Leistung beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger gleich beurteilt wird, wenn für beide Unternehmer verschiedene Finanzbehörden zuständig sind. Dies hat der EuGH verneint. Der EuGH verweist hierzu auf seine ständige Rechtsprechung. Danach ist es - mangels einer einschlägigen Regelung der Union - Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (vgl. EuGH v. 18.3.2010, C-317/08 bis C-320/08, Alassini u.a. m.w.N.). Dabei dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität). Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie schreiben den Mitgliedstaaten nach dem Urteil nicht vor, ihr nationales Verfahrensrecht so zu gestalten, dass die Steuerbarkeit und die Mehrwertsteuerpflicht einer Dienstleistung beim Leistungserbringer und beim Leistungsempfänger in kohärenter Weise beurteilt werden, auch wenn für sie verschiedene Finanzbehörden zuständig sind. Diese Bestimmungen verpflichten die Mitgliedstaaten jedoch, die zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Hinweis
Die Entscheidung des EuGH zum Ort der Personalüberlassungsleistung...