Entscheidungsstichwort (Thema)
Baurecht. Nachbarklage eines Wohnungseigentümers gegen ein Bauvorhaben auf dem gemeinschaftlichen Grundstück. Verstoß der Anfechtung gegen Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
1) Für eine öffentlich-rechtliche Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung, mit der die Errichtung eines Gebäudes auf einer im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Grundstücksfläche gestattet wird, fehlt dem einzelnen Wohnungseigentümer die Klagebefugnis auch dann, wenn die Genehmigung einem anderen Wohnungseigentümer oder einem der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht angehörenden Dritten erteilt worden ist (im Anschluß an den Beschluß des BVerwG vom 28. Februar 1990 – 4 B 32.90 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 97). Das gilt auch, wenn für die zu bebauende Fläche bereits eine Teilungsgenehmigung erteilt worden ist, die entsprechende grundbuchrechtliche Abschreibung dieser Fläche aber noch nicht vollzogen ist.
2) Ein der Anfechtung einer Baugenehmigung entgegenstehender vorheriger Verzicht auf Nachbareinwendungen kann grundsätzlich auch in bezug auf solche Bauvorhaben erklärt werden, die lediglich nach Art. Bauweise, Umfang und Standort umschrieben werden.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3; WEG § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 2, § 43
Beteiligte
Bezirksamt Tiergarten von Berlin, Abt. Bauwesen |
Verfahrensgang
VG Berlin (Entscheidung vom 28.07.1993; Aktenzeichen 19 A 486.93) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juli 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Nachbarrechtsschutz gegen eine Baugenehmigung. Ihr gehört eine Eigentumswohnung in dem auf dem Grundstück … in Berlin-Tiergarten errichteten Wohngebäude. Die Beigeladenen haben von den Eigentümern zweier anderer Wohnungen dieses Hauses die nördlich und südlich des Gebäudes angrenzenden Freiflächen des Grundstücks gekauft, auf denen sie mehrgeschossige Wohngebäude zu errichten beabsichtigen. Hierfür hat das Bauaufsichtsamt nach Erteilung der entsprechenden planungsrechtlichen Teilungsgenehmigung die von der Antragstellerin mit dem Widerspruch angefochtene Baugenehmigung vom … 3. September 1992 nebst planungs- und bauordnungsrechtlichen Befreiungen vom 3. August 1992 erteilt. Die grundbuchrechtliche Abschreibung dieser Teilflächen ist beantragt, aber bisher noch nicht vollzogen. Für die Beigeladenen ist eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin durch den Beschluß vom 28. Juli 1993 als unbegründet abgelehnt.
II.
Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Der auf § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3 VwGO gestützte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil dieser Rechtsbehelf unzulässig ist.
Der Widerspruch richtet sich gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens, das die Beigeladenen auf – noch – im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Flächen des Gesamtgrundstücks zu errichten beabsichtigen. Gegenüber solchen auf ein und demselben Grundstück zu verwirklichenden baulichen Vorhaben ist jedoch für öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz einzelner Wohnungseigentümer kein Raum. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung sowohl für Klagen von Wohnungseigentümern gegen bauaufsichtlich genehmigte Maßnahmen am Sondereigentum eines anderen Miteigentümers derselben Eigentümergemeinschaft (Urteil vom 14. Oktober 1988, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 83 = NVwZ 1989, 250) als auch für Klagen gegen bauliche Maßnahmen auf Gemeinschaftseigentum entschieden (vgl. Urteil vom 4. Mai 1988, NJW 1988, 3279 = DVBl. 1988, 851, und Beschlüsse vom 28. Februar 1990 und 20. August 1992, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 97, 110, ebenso für die Klage des Miteigentümers eines Grundstücks gegen die einem anderen Miteigentümer erteilte Teilungsgenehmigung, Beschluß vom 27. April 1988, Buchholz 406.11 § 19 BauGB Nr. 51). Dieser Ausschluß öffentlich-rechtlicher Schutzansprüche innerhalb einer derartigen Miteigentümergemeinschaft wird in den genannten Entscheidungen mit dem Hinweis darauf begründet, daß es zwischen den an der Gemeinschaft Beteiligten an einer Rechtsbeziehung fehle, die der für das baurechtliche Nachbarverhältnis kennzeichnenden und für die Gewährung öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz maßgebenden „Dreiecksbeziehung” entspreche. Der Sondereigentümer sei vielmehr als Inhaber eines nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes besonders ausgestalteten Miteigentumsrechts in die Gemeinschaft der Eigentümer eingebunden; der Inhalt der sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten bestimme sich in erster...