Entscheidungsstichwort (Thema)

Baurecht. Stellplätze für Autohandel im Vorgarten. Begrünungsanordnung. Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bestimmung des § 8 Abs. 1 BauO Bln, nach der die nicht überbauten Flächen bebauter Grundstücke in einer Tiefe von 5 m hinter der Straßenbegrenzung als Vorgärten gärtnerisch anzulegen sind, ist allein maßgebend, ob die Fläche faktisch nicht überbaut ist. Eine Bebauung der Fläche – im Streitfall durch Stellplätze eines Autohandels – schließt deren rechtliche Qualifikation der Fläche als nicht überbaut jedoch nur aus, soweit sie baurechtlich legal ist, wobei § 8 Abs. 1 BauO Bln selbst kein eigenständiges Bauverbot trifft.

2. Bei dem bauordnungsrechtlichen Begrünungsgebot für Vorgartenflächen handelt es sich um eine spezielle, das allgemeine Verunstaltungsverbot des § 10 Abs. 2 BauO Bln miterfassende, positiv auf eine das Orts- und Straßenbild belebende Gestaltung der betreffenden Flächen abzielende Bestimmung.

 

Normenkette

BauO Bln § 2 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1, 4, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2, § 55 Abs. 2 Nr. 2; ASOG § 17; BauNVO § 23 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

VG Berlin (Urteil vom 23.10.1996; Aktenzeichen VG 19 A 631.93)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Begrünung einer Vorgartenfläche.

Er ist seit September 2001 Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks A. Dieses liegt nach den Ausweisungen des Baunutzungsplans im Dorfgebiet mit der Baustufe II/3; es bestehen förmlich festgestellte Straßen- und Baufluchtlinien.

Ein früherer Eigentümer des Grundstücks ließ 1992 rechts von der Grundstückseinfahrt auf 35 m² der nicht bebauten Fläche vor einer Garagenwand zwischen den förmlich festgestellten Bau- und Straßenfluchtlinien für Kraftfahrzeugstellplätze aufschütten, welche er zu Ausstellungszwecken an Kraftfahrzeughändler verpachtete. Durch die Bescheide vom 28. Juli und 16. September 1992 gab das Bauaufsichtsamt den damaligen Grundstückseigentümern 1. die Beseitigung der Kraftfahrzeuge und 2. die anschließende gärtnerische Gestaltung des Vorgartens auf, wofür die Ersatzvornahme mit einem vorläufig veranschlagten Kostenbetrag von 6.000 DM angedroht wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anlegung der Stellplätze widerspreche der bauordnungsrechtlichen Begrünungspflicht für Vorgärten; diese bauliche Nutzung verunstalte zudem das Orts- und Straßenbild. Die dagegen gerichteten Widersprüche wies die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen durch den Bescheid vom 23. November 1993 zurück. Mit der hiergegen erhobenen Klage haben die damaligen Eigentümer im Wesentlichen geltend gemacht: In unmittelbarer Nähe des Grundstücks dulde die Behörde verschiedene gewerbliche, das Orts- und Straßenbild negativ beeinflussende Nutzungen der Vorgartenflächen.

Im Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht vom 23. Oktober 1996 hat der Beklagte den auf die Beseitigung der Kraftfahrzeuge gerichteten Punkt 1 der angefochtenen Anordnung aufgehoben; insoweit wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Darüber hinaus hat der Beklagte erklärt, er werde aus dem die gärtnerische Gestaltung der Vorgartenfläche anordnenden Punkt 2 der angefochtenen Verfügung nicht vollstrecken, bis eine Beseitigungsverfügung gegenüber dem Pächter ergangen und durchgesetzt worden sei beziehungsweise auf andere Weise der Sache nach erfüllt worden sei.

Durch das Urteil vom 23. Oktober 1996 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Anordnung finde ihre Rechtsgrundlage in dem durch § 8 Abs. 1 BauO Bln aufgestellten Begrünungsverbot für Vorgartenflächen in Verbindung mit § 17 ASOG. Ermessensfehler seien auch unter Berücksichtigung der von den Klägern genannten Nutzungen von Vorgartenflächen und sonstigen den Straßen- und Ortsbild abträglichen Erscheinungsformen der Grundstücke in der näheren Umgebung nicht festzustellen. Insbesondere verstoße es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass auf der Vorgartenfläche des Grundstücks A. ein Imbiss-Kiosk mit Verzehrtischen und auf dem gegenüberliegenden Grundstück Nr. 48 ein Verkaufsladen mit Verkaufsflächen für Fahrräder zugelassen werde. Der Unterschied der hier streitigen Vorgartennutzung zur Ausstellung von Kraftfahrzeugen schließe eine willkürliche Ungleichbehandlung aus. Da die Behörde erklärt habe, dass sie gegen neuartige gewerbliche Nutzungen von Vorgärten durch Anlegung von Stellplätzen regelmäßig vorgehen werde, könne ihr auch die bisherige Untätigkeit gegen derartige Zustände nicht als ermessensfehlerhaft entgegengehalten werden. Hiergegen richtet sich die Berufung, die mit Zustimmung des Beklagten vom Kläger als dem jetzigen Eigentümer weiterbetrieben wird.

Unter Wiederholung und Ergänzung des erstinstanzlichen Vorbringens trägt der Kläger i...

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