Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Leistungen der Kinder und Jugendhilfe. Schutz der Einrichtungsorte. sonstige Wohnform i.S. des § 89 e SGB VIII. Kostenerstattung. sonstige Wohnform. Erziehung. Betreuung. Behandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob die Selbsthilfeeinrichtungen „Elrond” und „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe” geschütze Einrichtungen i.S.v. § 89 e SGB VIII sind.

2. § 89 e SGB VIII bezweckt einen lückenlosen Schutz der Einrichtungsorte, um zu

3. Die Aufenthaltszwecke des § 89 e SGB VIII können in „sonstigen Wohnformen” i.S. d. § 89 e SGB VIII, namentlich in Selbsthilfeeinrichtungen, auch ohne angestelltes Fachpersonal erfüllt sein. Erforderlich ist jedoch, dass das Wohnprojekt von einem schlüssigen Konzept getragen wird, dass den in der Vorschrift genannten Aufenthaltszwecken dient, und dessen Umsetzung gewährleistet ist.

 

Normenkette

SGB VIII § 86 Abs. 1, 6, § 89a Abs. 1, 3, § 89e

 

Verfahrensgang

VG Bremen (Urteil vom 09.05.2003; Aktenzeichen 7 K 1744/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtsder Freien Hansestadt Bremen vom 09.05.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Beigeladene darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhedes Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der jeweils Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten, die für Leistungen nach dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) aufgewandt worden sind.

Die 1990 geborene Hilfeempfängerin S. P. ist die nicht eheliche Tochter drogenabhängiger Eltern. Sie kam 1992 zu ihrer damals in Husum/Schleswig Holstein lebenden Tante in Vollzeitpflege. 1994 verzog sie mit ihrer Tante nach Flensburg.

1996 ordnete das AG Flensburg das Ruhen der elterlichen Sorge der vorher allein sorgeberechtigten Kindesmutter an und bestellte das Stadtjugendamt Flensburg zum Vormund für das Kind. Im Februar 1996 erkannte die Klägerin nach § 86 Abs.6 SGB VIII ihre örtliche Zuständigkeit für die der Hilfeempfängerin zu gewährenden Jugendhilfeleistungen an. Die Kosten wurden der Klägerin gemäß § 89 a Abs.1 SGB VIII von der Beigeladenen erstattet.

Im Juni 1996 verstarb die Kindesmutter.

Am 3.11.1997 verzog der bis dahin in Oldenburg wohnhafte Kindesvater nach Bremen in die Einrichtung „Elrond Freier Förderkreis zur Selbsthilfe ehemals Drogenabhängiger e.V.” (im Folgenden: „Elrond”). Dort hielt er sich bis zum 15.02.2000 in verschiedenen Häusern auf. Danach wechselte er in Einrichtungen der „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe e.V:” (im Folgenden „Bremer Selbsthilfe”) in Bremen. Am 15.04.2001 verzog er nach Flensburg.

Mit Schreiben vom 15.11.1999 / 29.11.2000 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ab dem 27.11.1997 gemäß § 89 a SGB VIII die Kosten der Jugendhilfe zu übernehmen.

Die Beklagte – Amt für Soziale Dienste Nord – Wirtschaftliche Jugendhilfe – lehnte dies mit Schreiben vom 08.12.2000 ab. Sie sei gemäß § 89 a i.V.m. § 89 e SGB VIII nicht zur Kostenerstattung verpflichtet, weil es sich bei den Einrichtungen „Elrond” und „Bremer Selbsthilfe” um geschützte Einrichtungsorte handele und sich deshalb die Zuständigkeit für die Hilfegewährung weiterhin nach dem früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindesvaters richte.

Mit Schreiben vom 13.12.2000 forderte die Klägerin sodann die Beigeladene auf, die Kosten zu erstatten. Diese teilte mit Schreiben vom 09.02.2001 mit, dass sie ihre Kostenerstattungspflicht nicht anerkenne.

Die Klägerin hat am 06.09.2001 beim Verwaltungsgericht Bremen Klage erhoben: Die fraglichen Einrichtungen seien keine geschützten Einrichtungen i.S. des § 89 e SGB VIII. In der Zeit vom 27.11.1997 bis zum 15.04.2001 seien für die Hilfeempfängerin für Vollzeitpflege insgesamt 45.536,75 DM aufgewandt worden, die die Beklagte zu erstatten habe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 45.536,75 DM an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren ausgeführt: „Elrond” und die „Bremer Selbsthilfe” seien Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige. Sie unterfielen als solche dem Kreis der in § 89 e SGB VIII aufgeführten sonstigen Wohnformen, der weitergehend als der nach § 97 BSHG sei. Die Einrichtungen seien auch von Strafgerichten als Therapie anbietende Träger i.S. von § 35 BtMG anerkannt. Zudem schließe die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 5 SGB VIII eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten aus. Für die Zeit vor dem 18.11.1998 sei der Erstattungsanspruch wegen der Ausschlussfrist des § 111 SGB X ausgeschlossen. Der Anspruch sei insoweit verspätet geltend gemacht worden.

Die Beigeladene hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. „Elrond” sei keine Therapieeinrichtung sondern eine selbständige Wohngruppe, in der die Bewohner selbst Lösungen für ihr Suchtproblem erarbeiteten...

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