Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalrat. Mitbestimmung. HAMISSA. Landesregierung. Rechtsschutz, vorläufiger. Datenverarbeitungsprogramm. Landespersonalvertretungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Zum vorläufigen Rechtsschutz in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten.
2. Zur Einführung eines Datenverarbeitungsprogramms in der Landesverwaltung aufgrund eines Beschlusses der Landesregierung
Normenkette
LSA-PersVG § 78 Abs. 2; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 135, 140; LSA-PersVG § 61 Abs. 2 S. 1; LSA-LdReg-GO § 9 Abs. 1 S. 1; LSA-LHO § 79 Abs. 3
Gründe
Auf die Beschwerde des Beteiligten ist der Beschluss der Fachkammer vom 8. Februar 1999 zu ändern und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.
Die Beschwerde ist gem. § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 87 Abs. 1 ArbGG zulässig. Die besonderen Rechtsbehelfe der einfachen Beschwerde und des Widerspruchs im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 936 ZPO kommen bei einer Entscheidung der Fachkammer nach mündlicher Verhandlung nicht zur Anwendung (vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Anhang 7 zu K § 83, RdNr. 112).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Verfügung gegen die Einführung des Datenverarbeitungsprogramms „HAMISSA” im Kultusministerium liegen nicht vor.
Die Fachkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass einstweilige Verfügungen gem. § 85 Abs. 2 ArbGG auch in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten ergehen können. Die Verweisung des § 78 Abs. 2 PersVG LSA schließt diese Vorschrift mit ein. Die personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten weisen entgegen einer verbreiteten früheren Rechtsprechung (vgl. etwa OVG Hamburg, B. v. 02.05.1988 – OVG BsPH 9/87 –, ZBR 88, 324; BVerwG B. v. 15.12.1978 – 6 P 13.78 –, ZBR 80, 59) keine Besonderheiten auf, die der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich entgegenstehen. Dies gilt nicht nur bei Streitigkeiten über Individualrechtsansprüche des Personalrats oder eines seiner Mitglieder, sondern auch bei Streitigkeiten über die personalvertretungsrechtlichen Befugnisse und Zuständigkeiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 27. Juli 1990 – 6 PB 12.80 – (ZBR 90, 354 mit Anmerkungen von Albers) klargestellt, dass der verfassungsrechtlich verbürgte wirksame Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit erforderlichenfalls auch den vorläufigen Rechtsschutz einschließt. Der Charakter des Beschlussverfahrens als eines objektiven Verfahrens stehe zwar einem materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch entgegen. Er hindere aber nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Die Sicherung des Anspruchs des Personalrats auf Verfahrensteilhabe verlangt allerdings ein spezifisches, auf das vorläufige Verfahren bezogenes Rechtsschutzbedürfnis („Verfügungsgrund”), dessen Voraussetzungen sich aus § 935 ZPO (Sicherungsverfügung) bzw. aus § 940 ZPO (einstweilige Verfügung zur Sicherung des Rechtsfriedens) ergeben. Kann die Streitigkeit im Stufenverfahren bereinigt werden, bedarf es keines vorläufigen Rechtsschutzes. Dieser ist nur erforderlich, wenn die Dienststelle das Mitbestimmungsrecht des Personalrats negiert oder eine verweigerte Zustimmung als unbeachtlich behandelt und auch nicht bereit ist, den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abzuwarten (Fischer/Goeres, a. a. O., RdNr. 88). So liegt es hier. Der Beteiligte geht nach anfänglichem Schwanken nunmehr davon aus, dass die Einführung des Datenverarbeitungsprogramms „HAMISSA” nicht der Mitbestimmung unterliegt und unternimmt erste Schritte zur Einführung dieses Systems im Kultusministerium.
Zweifelhaft ist dagegen, ob das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Raum für die beantragte einstweilige Verfügung in Gestalt einer vorläufigen Feststellung lässt. Ein Ausspruch dieses Inhalts findet in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1990 (a. a. O.), der insoweit allerdings nicht abschließend ist, keine Erwähnung. Er stößt auch im Schrifttum auf Vorbehalte (vgl. Bieler/Plassmann/Quest, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, RdNr. 155 zu § 61). Nach Fischer/Goeres, a. a. O., RdNr. 63 soll das Gericht statt dessen befugt sein, dem Dienststellenleiter die Umsetzung der beabsichtigten Maßnahme vorläufig zu untersagen. Das Gericht würde mit diesem Ausspruch allerdings über den möglichen Inhalt einer Entscheidung in der Hauptsache hinaus gehen, was ebenfalls auf Bedenken stoßen kann. Eine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage hat sich bislang nicht herausgebildet (vgl. Bieler/Plassmann/Quest, a. a. O., RdNr. 149).
Der Senat sieht keinen Anlass, zu dieser Streitfrage abschließend Stellung zu nehmen. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, in welcher Form auch immer, verlangt neben dem Verfügungsgrund auch einen Verfügungsanspruch. Der Antragsteller muss glaubhaft...