Entscheidungsstichwort (Thema)
Anliegergebrauch. Sondernutzung. Gebührenbemessung. Sondernutzungsgebühren
Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht auf Anliegergebrauch umfaßt in Sachsen-Anhalt nicht nur den Zugang bzw. die Zufahrt zum Grundstück sowie Verkehrszwecke. Gebühren- und erlaubnisfrei sind auch solche Benutzungen der Straße, die zur Nutzung eines Anliegergrundstücks erforderlich sind und den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließen (§ 14 Abs. 4 StrG LSA).
2. Die Bemessungsgrundsätze des § 21 Satz 3 StrG LSA für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren konkretisieren das Äquivalenzprinzip in der Weise, daß die durch die Sondernutzung bewirkte Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Gebührenschuldners an der Nutzung des Straßenraums nicht zu der geforderten Gebühr in einem Mißverhältnis stehen darf.
3. Ein Gebührentarif, der für das Ablagern von Gegenständen auf der Fahrbahn – der Sache nach eine Art „Miete” öffentlichen Straßenraums – baupreisgleiche Gebühren vorsieht, ist rechtswidrig.
4. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn von einem Bauherrn für das Ablagern von Material am Straßenrand seines Grundstücks eine 30 mal höhere Sondernutzungsgebühr gefordert wird als von einem Gastwirt für das Aufstellen von Tischen und Stühlen im Straßenraum. Auch unterscheidet sich die Sondernutzung einer Straße durch das Aufstellen eines Bauwagens oder eines Containers nicht wesentlich von der Lagerung von Gegenständen auf oder neben der Fahrbahn in vergleichbarem Ausmaß, so daß einem ein vielfaches höherer Gebührensatz für das Lagern von Gegenständen sachwidrig ist.
Normenkette
LSA-StrG § 14 Abs. 4, §§ 18, 21 S. 3
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Urteil vom 05.02.1998; Aktenzeichen A 8 K 287/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 8. Kammer – vom 5. Februar 1998 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27. August 1997 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Sondernutzungsgebühr durch die Beklagte.
Anläßlich von Bau- bzw. Renovierungsarbeiten in seinem Wohnhaus … beantragte der Kläger am 2. Juli 1997 bei der Beklagten, ihm eine Sondernutzungserlaubnis für die Ablagerung von Baumaterial vom 18. Juni – 14. Juli 1997 auf einer Fläche von ca. 10 m² auf dem unbefestigten Seitenstreifen der Straße zu erteilen. Antragsgemäß erteilte die Beklagte am 3. Juli 1997 die Erlaubnis und setzte in dem Bescheid aufgrund ihrer Sondernutzungsgebührensatzung eine Sondernutzungsgebühr von 1.350 DM (27 Tage × 5 DM/m²) fest.
Gegen die Gebührenfestsetzung erhob der Kläger unter dem 10. Juli 1997 Widerspruch, den er damit begründete, die Beklagte verletze das im Gebührenrecht geltende Äquivalenzprinzip, indem sie nur pauschal die Fläche berechne, aber unberücksichtigt lasse, daß die Ablagerung der Baumaterialien für ihn keinen wirtschaftlichen Nutzen habe. Ein monatlicher „Mietpreis” von 150 DM/m² öffentliche Wegfläche erfülle den Tatbestand des Wuchers. Die Beklagte habe auch den Gleichheitsgrundsatz verletzt, indem sie auf Flächen für das Aufstellen von Tischen und Stühlen im öffentlichen Verkehrsraum vor Gaststätten erheblich geringere Gebühren erhebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 4. September 1997 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben und geltend gemacht: Da er mit dem abgelagerten Baumaterial Renovierungs- und Ausbesserungsarbeiten habe durchführen lassen, sei keine wesentliche Wertsteigerung seines Anwesens eingetreten. Der Beklagten seien keine Aufwendungen durch die von ihm durchgeführte Sondernutzung entstanden. Die erhobene Gebühr stehe in keinem Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Vorteil, welcher aus der Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche gezogen werde. Selbst bei Festsetzung einer erheblich geringeren Gebühr wäre er, der Kläger, veranlaßt gewesen, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche zeitlich so kurz wie nur möglich zu gestalten. Die Höhe der Gebühr sei in einem reinen Wohngebiet mit Villenbebauung und geringem Durchgangsverkehr unangemessen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1997 hinsichtlich der festgesetzten Sondernutzungsgebühr in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1997 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Es sei unerheblich, in welchem Verhältnis die Gebühr zu dem mit der Sondernutzung für den Kläger verbundenen konkreten wirtschaftlichen Nutzen stehe. Die Schaffung generalisierender, typischer Sondernut...