Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zuständigkeit von Jugend- und Sozialhilfe im Bereich der Frühförderung im Saarland
Leitsatz (amtlich)
Der saarländische Landesgesetzgeber hat nach den §§ 10 SGB VIII i.V.m. § 38 AG KJHG den Bereich der Frühförderung – unabhängig von der Behinderungsart – einheitlich den Trägern der Sozialhilfe und nicht der Jugendhilfe zugewiesen. Die Maßnahmen der Frühförderung sind einzelfallbezogen rein bedarfsorientiert und können als Einzel- oder Komplexleistung, ambulant, in Förderzentren (interdisziplinären oder sozialpädiatrischen Zentren), in teilstationären oder stationären Einrichtungen erbracht werden.
Normenkette
SGB VIII § 10; AG KJHG § 38
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 10 K 51/05) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 10 K 51/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Dem gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 16.12.2005, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Kosten zu erstatten, die ihm in den Jahren 2003 und 2004 für die Betreuung des am 19.2.1998 geborenen A. B. (im folgenden Hilfeempfänger) im Sonderkindergarten (integrative Tagesstätte) der Lebenshilfe – K. – in S. entstanden sind, kann nicht entsprochen werden.
Das auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Berufungszulassungsantrages, das den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, gibt keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung der Nachprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen.
Weder bestehen ernstliche Richtigkeitszweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung noch greift die Grundsatzrüge durch.
1. Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen die zur Begründung seiner eigenen Leistungspflicht und Verneinung einer Erstattungspflicht des Beklagten getroffene Einschätzung des Verwaltungsgerichts, zur Frühförderung im Sinne der §§ 10 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII jetzt (10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII) i.V.m. § 38 AG KJHG (Saarland) gehörten sämtliche heilpädagogischen Maßnahmen für noch nicht schulpflichtige, seelisch behinderte oder von einer seelischen Behinderung bedrohte Kinder einschließlich der (teil-) stationären Maßnahmen wie die Betreuung in Sonderkindergärten oder die Betreuung durch Stützpädagogen im Regelkindergarten, für die nach Landesrecht der (überörtliche) Sozialhilfeträger zuständig sei.
Diese Auffassung verstoße gegen die Regelungen des SGB IX. Nach § 56 Abs. 2 SGB IX würden nämlich heilpädagogische Leistungen dann als Komplexleistungen erbracht, wenn sie in Verbindung mit Leistungen der Frühförderung und Früherkennung (§ 30 SGB IX) erfolgten. Daraus sei zu schließen, dass es neben der Frühförderung und Früherkennung auch andere heilpädagogische Leistungen gebe. Die Betreuung von Kindern in Sonderkindergärten sei keine Leistung der Frühförderung, weil nach § 30 Abs. 2 SGB IX Leistungen zur Frühförderung und Früherkennung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder neben den Leistungen der medizinischen Rehabilitation u.a. heilpädagogische Leistungen umfassten, die nach der Frühförderverordnung (vom 24.6.2003, BGBl. I 998 – FrühV –) durch ambulant oder mobil arbeitende interdisziplinäre Frühförderstellen (§ 3 FrühV) oder durch ambulant arbeitende sozialpädiatrische Zentren (§ 4 FrühV) erbracht würden.
Hierzu zähle die Betreuung und Unterbringung des Hilfeempfängers in einem (teilstationären) integrativen Kindergarten der Lebenshilfe nicht.
Dass derartige Einrichtungen nicht als Frühförderung erfasst sein sollten, belege die Gesetzesbegründung zu § 30 SGB IX – Bundesratdrucksache 49/01 S. 317 –. Auch in der Entscheidung der Zentralen Spruchstelle vom 18.6.1998, EuG 54, 52 und in der Kommentarliteratur werde die Meinung vertreten, dass Hilfen in Sonderkindergärten keine Frühförderung im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII a.F. (heute Abs. 4 Satz 3) darstellten. Dem entsprächen die „Richtlinien und Verfahrensgrundsätze der örtlichen Träger der Sozialhilfe im Saarland für die Durchführung der Frühförderung und -behandlung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind” und die unter den saarländischen Leistungsträgern geltende jahrzehntelange ständige Verwaltungspraxis, wonach unter Frühförderung allein interdisziplinäre Maßnahmen in ambulanter Form verstanden würden. Gegenstand der Frühförderung im Saarland, das flächendeckend über 12 allgemeine Frühförderstellen verfüge, seien interdisziplinäre medizinische und heilpädagogische Maßnahmen als Komplexleistung. Seien keine Komplexleistungen erforderlich, um das Therapie- und Förderziel zu erreichen und Heilmittel in integrativen Kindergärten oder Sonderkindergärten ausreichend, sei eine F...