Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Genehmigung von drei Windkraftanlagen wegen Lärmimmissionen. Einwirkungen durch Infraschall sowie optisch bedrängender Wirkung unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch vier bereits bestehende Anlagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die TA Lärm einschließlich der von dieser in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 ist auch für die Beurteilung der von hoch ragenden Windkraftanlagen (hier mit einer Gesamthöhe von je 150 m) ausgehenden Lärmimmissionen maßgebend.

2. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ist die durch einen Privatgutachter erstellte Lärmprognose grundsätzlich verwertbar, wenn diese unter Beachtung der geltenden Regelwerke fachgerecht und nachvollziehbar erstellt worden bzw. für den Fachkundigen überzeugend ist.

3. Dem Schutzinteresse eines betroffenen Nachbarn vor unzumutbarem Lärm wird durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung hinreichend Rechnung getragen, wenn nach der Lärmprognose eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Nachbarn nicht zu erwarten ist und die Nebenbestimmungen zur Genehmigung den (weiteren) Betrieb der Anlagen vom Nachweis der Einhaltung der Immissionsrichtwerte durch eine (hier spätestens zwölf Monate nach Inbetriebnahme durchzuführende) Kontrollmessung abhängig machen.

4. Sollen Windenergieanlagen in einer Entfernung von 1200 m oder mehr vom Anwesen des betroffenen Hauseigentümers errichtet werden und fehlt es nach der Aktenlage an Anhaltspunkten für eine erhebliche “optische Belastung” des Grundstücks, kann nur ausnahmsweise ein Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot im Sinne einer bedrängenden Wirkung der Anlagen angenommen werden. Zur Darlegung einer diesbezüglichen Ausnahme genügt es nicht, darauf hinzuweisen, dass die Anlagen in der Hauptblickrichtung des betreffenden Anwesens errichtet werden sollen.

 

Normenkette

VwGO § 146 Abs. 4 S. 6; BImSchG § 10 Abs. 1-2, §§ 26, 28; 9. BImSchV § 4 Abs. 1 S. 1, § 4a Abs. 2 Nr. 1; BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3; LBO SL § 7 Abs. 5

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 22.02.2010; Aktenzeichen 5 L 9/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. Februar 2010 – 5 L 9/10 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes gerichtete, gemäß § 146 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dessen Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.9.2009 zurückgewiesen, mit welcher der Beigeladenen die Errichtung und der Betrieb von drei Windkraftanlagen (Windpark S…) in Nachbarschaft zum bereits bestehenden Windpark K… (mit vier Windkraftanlagen) in C…-Stadt erlaubt worden ist.

Die Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der angegriffenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, dass der Antragsteller nach den Erkenntnismöglichkeiten einer Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch den bereits bestehenden Windpark K… weder durch die beim bestimmungsgemäßen Betrieb der zusätzlich genehmigten drei Windkraftanlagen zu erwartenden Lärmimmissionen oder Einwirkungen mittels Infraschalls noch durch einen Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot im Sinne einer optisch bedrängenden Wirkung der Anlagen in seinen Rechten verletzt ist. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dies gilt zunächst, soweit der Antragsteller geltend macht, es bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit der TA Lärm (und der DIN ISO 9613-2) zur Beurteilung der Lärmimmissionen, die von hoch über dem Erdboden liegenden Schallquellen ausgehen. Zur Begründung verweist er auf eine wissenschaftliche Arbeit des Meteorologischen Instituts – Fakultät der Physik und Geowissenschaften – der Universität Leipzig vom 30.11.2005 mit dem Titel “Studie zum Einfluss hoher Schallquellen auf die Schallausbreitung” sowie eine daran anknüpfende Veröffentlichung der Studie unter dem Titel “Einfluss des variablen Atmosphärenzustands auf die Schallausbreitung von höher liegenden Schallquellen”. In der Studie werde dazu Stellung genommen, wie sich Schallquellen, die sich in einer Höhe von ca. 140 m (über dem Erdboden) befänden, hinsichtlich ihrer Immissionen auf die Umgebung und Nachbarschaft auswirkten. Es werde insbesondere nachgewiesen, dass die Schallausbreitung von diesen Quel...

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