Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein einstweiliger Rechtsschutz gegen den angeordneten Sofortvollzug der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei zusätzlichen Windkraftanlagen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Hinweis auf das öffentliche Interesse an der umweltverträglichen Energieversorgung genügt den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.
2. Gegen die Anwendung der TA Lärm und der DIN ISO 9613-2 zur Bestimmung der Lärmimmissionen von Windkraftanlagen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.
3. Eigentümer von Grundstücken in reinen Wohngebieten, die unmittelbar an den Außenbereich angrenzen, können immissionsschutzrechtlich nur die Einhaltung der Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet beanspruchen.
4. Die Nebenbestimmung, dass die Windkraftanlagen nachts nicht mehr betrieben werden dürfen, wenn nicht binnen 12 Monaten nach Inbetriebnahme der Nachweis der Einhaltung der Richtwerte aufgrund von Messungen erbracht wird, trifft hinreichend Vorsorge für die Nachbarschaft, wenn ein Überschreiten der Richtwerte für ein Kern-, Dorf- oder Mischgebiet ausgeschlossen erscheint.
5. Windenergieanlagen, die mehr als 1.200 m und damit mehr als das 20fache der erforderlichen Abstandsfläche von 0,4 H bzw. das 8fache der Gesamthöhe der einzelnen Anlagen von der Wohnbebauung entfernt stehen, wirken im Rechtssinne nicht optisch bedrückend.
6. Die Gefahren durch von Windkraftanlagen ausgehenden Infraschall werden durch Nr. 7.3 TA Lärm geregelt.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, 5 S. 1, § 80b; BauGB §§ 30, 34, 35 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 S. 1 Nr. 3; BauNVO § 5; LBO § 7 Abs. 5 Sätze 1, 3, Abs. 7 S. 3; BImSchG § 3 Abs. 1-2, 5 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Ziff. 1, § 22 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 26, 29, 52
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den vom Antragsgegner angeordneten Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, mit der der Beigeladenen die Errichtung und der Betrieb von drei Windkraftanlagen … genehmigt wurde.
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens in St. Wendel, Ortsteil und Gemarkung H…, A…-Straße.
Mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.09.2009 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windkraftanlagen der Firma Vestas vom Typ V-90 mit einer Nennleistung von jeweils 2.0 MW (Rotordurchmesser 90 m, Nabenhöhe 105 m) in St. Wendel …. Die Anlagen befinden sich innerhalb eines Gebietes, das der Landesentwicklungsplan Umwelt vom 13.07.2004 als Vorranggebiet für Windenergie ausweist. In diesem Bereich befinden sich bereits vier Windkraftanlagen der Vestas/NEG Micon vom Typ NM 82 mit einer Nennleistung von jeweils 1.5 MW (Rotordurchmesser 82 m, Nabenhöhe 93,6 m), die mit dem Genehmigungsbescheid vom 15.06.2003 (Windpark K…) und der Genehmigungsfreistellung vom 03.09.2003 vom Antragsgegner bestandskräftig zugelassen worden sind.
Der streitige Genehmigungsbescheid vom 10.09.2009 enthält u.a. die Nebenbestimmungen, dass durch den Betrieb dieser Windkraftanlagen vor den Fenstern von schutzbedürftigen Räumen am Anwesen des Antragstellers – unter Berücksichtigung der Lärmvorbelastung durch den Windpark K… – während der Nachtszeit der nach der TA Lärm ermittelte Teil-Immissionspegel von 40 dB(A) nicht überschritten werden darf. Spätestens zwölf Monate nach Inbetriebnahme der Windkraftanlagen ist durch Messungen einer nach § 26 BImSchG bekanntgegebenen Messstelle der Nachweis zu führen, dass die Immissionspegel bezogen auf die schalltechnisch ungünstigste Betriebsart (i.d.R. bei Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m Höhe bzw. 95 % Nennleistung) an den genannten Aufpunkten eingehalten werden. Für diesen Nachweis scheide das mit der Erstellung der Lärmprognose beauftrage Ingenieurbüro aus. Wenn dieser Nachweis nicht fristgerecht geführt wird, dürfen die Anlagen während der Nachtzeit nicht mehr betrieben werden. Jede Windkraftanlage ist so zu errichten und zu betreiben, dass ein Schallleistungspegel von 103,5 dB(A) zuzüglich der Unsicherheit der Typenmessung und Serienstreuung nicht überschritten wird. Nach Ablauf von jeweils drei Jahren nach Inbetriebnahme ist durch Messungen der Nachweis zu führen, dass dieser Wert nicht überschritten wird.
Gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 10.09.2009 erhob der Antragsteller am 08.10.2009 Widerspruch.
Mit Bescheid vom 27.11.2009 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung an: Eine Prüfung des Widerspruchs habe ergeben, dass der in rund 1.200 m von der nächstgelegenen Windkraftanlage … wohnende Antragsteller keinen durch den Windpark der Beigeladenen verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ausgesetzt sein werde. Nach der dem Genehmigungsverfahren zugrunde gelegten und geprüften ...