Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgloser Eilantrag gegen die immissionsschutzrechtliche Zulassung von sechs Windkraftanlagen
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung des von Windkraftanlagen auf Wohnhäuser einwirkenden Lärms ist die TA Lärm anzuwenden.
2. Unterschreitet die von einer nach den §§ 26, 28 BImschG bekannt gegebenen Messstelle prognostizierte Zusatzbelastung den Immissionsrichtwert nach Nr. 6 TA Lärm um mindestens 10 dB(A), liegt das Objekt bereits nicht mehr im Einwirkungsbereich der zugelassenen Anlage.
3. Das baurechtliche Rücksichtnahmegebot ist erkennbar nicht verletzt, wenn die Entfernung vom Wohnhaus zur nächstgelegenen Windkraftanlage das 33fache der Gesamthöhe der WKA überschreitet.
4. Die von Windkraftanlagen ausgehende Infraschallgefahr regelt Nr. 7.3 TA Lärm.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den vom Antragsgegner angeordneten Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, mit der der Beigeladenen die Errichtung und der Betrieb von sechs Windkraftanlagen in der Gemarkung Haupersweiler der Gemeinde Freisen genehmigt wurde.
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens in W…, Ortsteil und Gemarkung H…, A…-Straße.
Südlich seines Anwesens befinden sich vier Windkraftanlagen der Vestas/NEG Micon vom Typ NM 82 mit einer Nennleistung von jeweils 1.5 MW (Rotordurchmesser 82 m, Nabenhöhe 93,6 m), die mit dem Genehmigungsbescheid vom 15.06.2003 (Windpark Kehrberg) und der Genehmigungsfreistellung vom 03.09.2003 vom Antragsgegner bestandskräftig zugelassen worden sind. Weiterhin hat der Antragsgegner in diesem südlichen Bereich mit dem Genehmigungsbescheid vom 10.09.2009 drei Windkraftanlagen der Firma Vestas vom Typ V-90 mit einer Nennleistung von jeweils 2.0 MW (Rotordurchmesser 90 m, Nabenhöhe 105 m) (Windpark Schleifstein) zugelassen. Den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Genehmigung vom 10.09.2009 hat die Kammer mit Beschluss vom 22.02.2010 – 5 L 9/10 – zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen den Beschluss wurde vom OVG des Saarlandes mit Beschluss vom 04.05.2010 – 3 B 77/10 – zurückgewiesen.
Mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 20.01.2010 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 3 BImSchG die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von je 145 m im Windpark – Vorranggebiet “Steinhügel” in H…, Gemeinde F… Die Anlagen befinden sich nördlich des Anwesens des Antragstellers und ebenfalls innerhalb eines Gebietes, das der Landesentwicklungsplan Umwelt vom 13.07.2004 als Vorranggebiet für Windenergie ausweist.
Der Genehmigungsbescheid vom 20.01.2010 enthält u.a. die Nebenbestimmungen, dass durch den Betrieb dieser Windkraftanlagen am Anwesen des Antragstellers (IP 3) während der Nachtszeit der nach der TA Lärm ermittelte Immissionsrichtwert von 30 dB(A) nicht überschritten werden dürfe. Innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme der Windkraftanlagen sei durch Messungen einer nach § 26 BImSchG bekanntgegebenen Messstelle der Nachweis zu führen, dass die Immissionspegel bezogen auf die schalltechnisch ungünstigste Betriebsart (i.d.R. bei Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m Höhe bzw. 95 % Nennleistung) an den genannten Aufpunkten eingehalten werden. Für diesen Nachweis scheide das mit der Erstellung der Lärmprognose beauftrage Ingenieurbüro aus. Jede Windkraftanlage sei so zu errichten und zu betreiben, dass ein Schallleistungspegel von 104,5 dB(A) zuzüglich der Unsicherheit der Typenmessung und Serienstreuung nicht überschritten werde. Nach Ablauf von jeweils drei Jahren nach Inbetriebnahme sei durch Messungen der Nachweis zu führen, dass dieser Wert nicht überschritten wird. Zur Begründung heißt es u.a. auf Seite 43 des Bescheides, der reine Immissionsanteil (Zusatzbelastung) der geplanten 6 Windenergieanlagen als oberer Vertrauensbereich liege am Anwesen des Antragstellers 10,9 dB(A) unter dem zulässigen Immissionsrichtwert und sei damit als irrelevant anzusehen. Hinsichtlich der tieffrequenten Geräuschanteile habe der Gutachter dargelegt, dass die WEA keine Geräusche im Infraschallbereich (vgl. DIN 45680) hervorrufe. Die von modernen WEA hervorgerufenen Schallpegel lägen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen.
Gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 20.01.2010 erhob der Antragsteller am 08.02.2010 Widerspruch.
Mit Bescheid vom 06.05.2010 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung an: Die Anordnung des Sofortvollzuges erfolge sowohl im öffentlichen als auch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen. Das öffentliche Interesse bestehe in der umweltverträglichen Energieversorgung und der Reduzierung des CO2-Ausstoßes in die Erdatmosphäre sowie der gesetzlic...