Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch einen Beigeladenen
Leitsatz (amtlich)
In Fallgestaltungen, in denen ein Prozessbeteiligter im Widerspruchsverfahren lediglich als Dritter beteiligt war, sich also nicht unmittelbar gegen eine ihn belastende Maßnahme zur Wehr setzen musste, müssen besondere Gründe vorliegen, um eine anwaltliche Vertretung bereits im Vorverfahren zu rechtfertigen (im konkreten Fall bejaht).
Normenkette
VwGO § 162 Abs. 2 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. November 2005 – 10 K 40/05 – wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich derjenigen des Beigeladenen trägt die Klägerin.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 25.11.2005, durch den das Verwaltungsgericht dem Beigeladenen einen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren entstandenen Aufwendungen zugebilligt hat, bleibt ohne Erfolg.
Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, dass sich ein Anspruch des Beigeladenen auf Erstattung der ihm durch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten nicht gleichsam automatisch als Folge der zu seinen Gunsten ergangenen Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO im Urteil vom 5. Oktober 2005 ergibt, sondern davon abhängt, dass die Voraussetzungen des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erfüllt sind vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.12.1998 – 2 Y 7/98 –.
Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Beigeladenen im Vorverfahren vorliegend notwendig im Verständnis der letztgenannten Bestimmung war. Für diese Entscheidung kommt es darauf an, ob dem Beigeladenen unter Zugrundelegung des Standpunktes einer verständigen Partei nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbar war, sich in dem betreffenden Widerspruchsverfahren selbst zu vertreten. Vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 162 Rdnr. 19 m.w.N..
Das hat das Verwaltungsgericht hier zu Recht verneint. Allerdings war der Beigeladene an dem im Rede stehenden Widerspruchsverfahren, das den Rechtsbehelf der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnisses durch das Integrationsamt des Beklagten zum Gegenstand hatte, lediglich als „Dritter” beteiligt. Er musste sich in jenem Verfahren also nicht unmittelbar gegen eine ihn belastende Maßnahme zur Wehr setzen, sondern trat neben eine sach- und fachkundige Behörde, die den angefochtenen Ablehnungsbescheid erlassen hatte und in erster Linie dazu berufen war, diese Entscheidung gegen die Angriffe der Widerspruchsführerin und späteren Klägerin zu verteidigen. In vergleichbaren Konstellationen müssen nach der ständigen Rechtsprechung des zweiten Senates des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vgl. zum Beispiel Beschlüsse vom 28.1.1987 – 2 W 15/87 – und vom 13.6.2000 – 2 Z 1/00 – jeweils zu baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten, besondere Gründe vorliegen, um eine anwaltliche Vertretung bereits im Vorverfahren zu rechtfertigen. Eine solche Sondersituation ist vorliegend indes im Hinblick darauf anzuerkennen, dass zum einen über die für einen Nichtjuristen nicht ohne weiteres überschaubare verfahrensrechtliche Frage des Beginns der Antragsfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX gestritten wurde und zum anderen die Entscheidung dieser Frage für den Beigeladenen eine weit reichende wirtschaftliche Bedeutung hatte vgl. zu dem letztgenannten Aspekt in einem Verfahren betreffend die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrages eines Schwerbehinderten VGH Mannheim, Urteil vom 4.3.2002 – 7 S 1651/01 – zitiert nach Juris.
Hinzu kommt vorliegend, dass der Beigeladene ausweislich des in den Behördenakten befindlichen Schreibens seiner Bevollmächtigten vom 8.1.2004 erst aus Anlass der Ladung vom 6.1.2004 zur mündlichen Verhandlung des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt am 21.1.2004 von dem Widerspruch der Klägerin erfahren hat, er mithin zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin weder das Widerspruchsvorbringen noch die Haltung beziehungsweise Stellungnahme der Ausgangsbehörde zu diesem Rechtsbehelf kannte. Auch diese für einen Nichtjuristen nicht ohne weiteres überschaubare und handhabbare Situation rechtfertigt jedenfalls in Anbetracht der aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Frage und der weit reichenden wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Beigeladenen bereits im Vorverfahren. Es muss daher bei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen