Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarschutz im Baurecht (Mehrfamilienwohnhaus)
Leitsatz (amtlich)
Lassen sich die Erfolgsaussichten eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung im Aussetzungsverfahren nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt. Es gehört auch in dem Zusammenhang nicht zu den Aufgaben des privaten Nachbarn, allgemein über die Einhaltung des öffentlichen Baurechts zu „wachen” und jegliche Realisierung rechtswidriger Bauvorhaben in der Nachbarschaft zu verhindern.
Bei der Festlegung der zulässigen Vollgeschosszahl in einem Bebauungsplan handelt es sich um eine Festsetzung zur Konkretisierung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), für die – anders als in Ansehung der Bestimmung der jeweils zulässigen Art baulicher Nutzung – keine bundesrechtliche Bindung im Sinne einer Pflicht zu nachbarschützender Ausgestaltung durch die Gemeinde besteht. Die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse begründet daher im Falle ihrer Nichtbeachtung nur dann subjektive nachbarliche Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben, wenn dem Bebauungsplan (§ 10 BauGB) ein ausdrücklich erklärter oder zumindest aus den Planunterlagen oder der Planzeichnung unzweifelhaft erkennbarer dahingehender Regelungswille der Gemeinde als Satzungsgeberin entnommen werden kann.
Auch die Festsetzung von Baugrenzen nach § 23 Abs. 3 BauNVO entfaltet regelmäßig allein städtebauliche Wirkungen, da sie vom Ansatz her kein für die Anerkennung subjektiver Abwehransprüche privater Dritter gegen ein Bauvorhaben bedeutsames (gegenseitiges) Austauschverhältnis unter den Eigentümern von derartigen planerischen Festsetzungen betroffener Grundstücke im Planbereich begründet.
Betrifft ein Befreiungserfordernis (§ 31 Abs. 2 BauGB) eine nicht nachbarschützende Festsetzung des Bebauungsplans, so kann sich ein nachbarlicher Abwehranspruch (allenfalls) über das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO unter Berücksichtigung der Interessenbewertung des § 31 Abs. 2 BauGB ergeben. Eine rechtliche „Aufwertung” der Nachbarposition lässt sich in dem Zusammenhang daher auch nicht über diesen „Umweg” begründen.
Werden die durch die Abstandsflächenvorschriften geforderten Grenzabstände zu Nachbarn eingehalten, so ist eine Verletzung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots grundsätzlich unter den Gesichtspunkten des „Einmauerns” beziehungsweise der von der Antragsgegnerin geltend gemachten „erdrückenden Wirkung” mit Blick auf den Umfang eines Bauvorhabens zwar nicht generell ausgeschlossen, kann allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die wechselseitige Zumutbarkeit hinsichtlich der Höhenentwicklung eines Bauvorhabens wird – bis auf Sonderfälle – in aller Regel durch die am Maßstab der Wandhöhen zu ermittelnden Grenzabstände (§ 6 LBO 1996, nunmehr § 7 LBO 2004) konkretisiert.
Die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Wahrung der ausreichenden Belichtung des eigenen Grundstücks fällt grundsätzlich in den Risiko- und Verantwortungsbereich seines jeweiligen Eigentümers.
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 24.01.2005; Aktenzeichen 5 F 34/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Januar 2005 – 5 F 34/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,– EUR festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24.1.2005 – 5 F 34/04 –, durch den sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit elf Wohneinheiten und Tiefgarage
– vgl. den Bauschein des Antragsgegners Nr. 61.63 – R 00050/03 – vom 28.1.2004, Blatt 77 der Beiakte –
auf dem Flurstück 185/1 in Flur … der Gemarkung Ü zurückgewiesen wurde, muss erfolglos bleiben. Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren abschließend bestimmende Vorbringen in der Beschwerdebegründung vom 11.3.2005 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung dieses Aussetzungsbegehrens.
In Anknüpfung an den Zweck der Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, erforderlichenfalls vorläufigen Individualrechtsschutz gegenüber in einem späteren Hauptsacheverfahren der Rechtskontrolle zu unterziehenden Verwaltungsakten – hier der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung – durch Aussetzung der Vollziehbarkeit zu gewähren, ist Entsc...