Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen einer wirksam nur beschränkt erteilten Zustimmung zur straßenrechtlichen Widmung privaten Grundeigentums
Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmung des privaten Grundstückseigentümers zur Widmung kann ebenso wie die Widmung als solche inhaltlich beschränkt werden, etwa darauf, dass nur für den Fußgängerverkehr gewidmet werden darf.
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 3 SStrG, nach der unselbständige Gehwege Teil der öffentlichen Straße sind, bewirkt nicht, dass eine dergestalt beschränkt erteilte Zustimmung mit der Widmung(sfiktion) hinfällig wird und der Straßenbaulastträger die Straße fortan beliebig umgestalten könnte. Will er einen Teil des Gehweges der Fahrbahn zuschlagen, muss er die für die Widmung geltenden gesetzlichen Vorgaben beachten.
Wird der Sachverhalt durch Besonderheiten geprägt, deren Zusammenwirken den Eintritt der Rechtsfolge der §§ 123 Abs. 3 VwGO, 929 Abs. 2 ZPO fallbezogen als unangemessen erscheinen lassen, so beanspruchen die genannten Vorschriften ausnahmsweise keine Geltung.
Normenkette
SStrG § 2 Abs. 2 Nr. 3; VwGO § 123 Abs. 3; ZPO § 929 Abs. 2
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 20.06.2007; Aktenzeichen 11 L 737/07) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20. Juni 2007 – 11 L 737/07 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagt, den Gehweg vor dem Grundstück der Antragsteller, U. Straße …, für eine Benutzung durch Kraftfahrzeugverkehr auszubauen.
Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang durch den Senat beschränkte Beschwerdevorbringen im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20.7.2007 ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu erschüttern.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anordnungsanspruchs bejaht. Bei der gebotenen nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Antragsgegnerin weder aufgrund der Widmung der U. Straße als öffentliche Straße noch nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 SStrG berechtigt, den derzeit 1,50 m breiten Gehweg vor dem Grundstück der Antragsteller gegen deren Willen um bis zu einem Drittel auf zwischen 1,04 m und 1,25 m zu verschmälern. Von der Möglichkeit, den Verlauf und die dem Fußgänger- beziehungsweise dem Fahrzeugverkehr vorbehaltenen Flächen durch Erlass eines Bebauungsplans (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) festzusetzen, was ihr erforderlichenfalls die Einleitung eines Enteignungsverfahrens ermöglichen würde, hat die Antragsgegnerin bisher keinen Gebrauch gemacht. Da eine Duldungspflicht der Antragsteller mithin nicht erkennbar ist, können diese aufgrund der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einstweiligen Rechtsschutz in Form der vorläufigen Untersagung der geplanten Baumaßnahmen beanspruchen.
Die U. Straße gilt gemäß § 63 SStrG als gewidmet. Unstreitig handelt es sich um eine bereits zur Zeit des Inkrafttretens des Saarländischen Straßengesetzes im Jahr 1965 existente Straße. Nach § 63 SStrG gelten alle Straßen, Wege und Plätze, die bisher dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt waren, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Saarländischen Straßengesetzes an als dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Tatbestandliche Voraussetzung dieser Widmungsfiktion ist, dass die Straße bestimmt war, dem öffentlichen Verkehr zu dienen. Die Bestimmung einer Straße, dem öffentlichen Verkehr zu dienen, setzt voraus, dass der Verfügungsberechtigte im maßgeblichen Zeitpunkt mit der damaligen Zwecksetzung der Wegefläche einverstanden war. (Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rdnr. 509) Damit ist der Umfang des erteilten Einverständnisses betreffend den künftigen Gemeingebrauch neben dem tatsächlichen Ausbauzustand ein wichtiges Kriterium für die Ermittlung des Widmungsinhalts. Im Fall der förmlichen Widmung nach § 6 SStrG sind bei der Ermittlung des sachlichen Umfangs der Widmung neben den im Text vorgesehenen Einschränkungen der Benutzungsarten, Benutzerkreise oder ähnlichem ebenfalls die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich, etwa die Art und Beschaffenheit des Weges zum Zeitpunkt der Widmung. (Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kapitel 7 Rdnr. 2.3; Sauthoff, a.a.O., Rdnrn. 185 und 553) Dem Gemeingebrauch an einer Straße werden durch deren bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit Grenzen gezogen. Soweit der zulässige Gebrauch durch die Widmung nicht ausdrücklich auf ein bestimmtes Maß begrenzt ist, ergibt sich die sachenrechtliche Beschränkung des Gemeingebrauchs aus der erkennbaren technischen Zweckbestimmung der Straße und ihrer einzelnen Teile. Darauf gründet sich zum Beispiel die Beschränkung des Gebrauches eines Gehw...