Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortvollzug der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation

 

Leitsatz (amtlich)

Sind nach den Gegebenheiten konkrete Gesundheitsgefahren für die Vergangenheit nicht belegt, kann aber nach derzeitiger gutachterlicher Erkenntnislage eine Patientengefährdung aufgrund einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung des in freier Praxis tätigen Arztes (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO) nicht umfassend ausgeschlossen werden, so kann dem Arzt die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache unter bestimmten Bedingungen gestattet werden.

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 11.08.2006; Aktenzeichen 1 F 22/06)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. August 2006 – 1 F 22/06 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsteller seine ärztliche Tätigkeit vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nur unter den nachfolgend zusätzlich festgelegten Bedingungen ausüben darf:

  1. Der/die in die gemeinsam geführte Praxis eintretende approbierte Arzt/approbierte Ärztin hat die „Zusatz-Weiterbildung Suchtmedizinische Grundversorgung” nachzuweisen.
  2. In Notfällen und in Fällen, in denen im Vergleich zum Routinepraxisbetrieb neue und unvorhersehbare Aufgaben zu bewältigen sind, hat der Antragsteller seinen Kollegen/seine Kollegin zu informieren und hinzuzuziehen.
  3. Der Antragsteller ist verpflichtet, Ärzten der Zentralstelle für Gesundheitsberufe jederzeit zur Kontrolle seiner ärztlichen Tätigkeit Zutritt zu seinen Praxisräumen und – sofern erforderlich, bei Vorliegen rechtlich gebotener Patienteneinwilligungen – Einsicht in die Patientenunterlagen zu gewähren.

II. Bei einem Verstoß gegen die Bedingungen wird der mit Bescheid des Antragsgegners vom 14.Juni 2006 angeordnete Sofortvollzug des Ruhens der Approbation wieder wirksam.

III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.08.2006 – 1 F 22/06 – ist nach Maßgabe des neu gefassten Entscheidungstenors teilweise begründet. Unbegründet ist sie allerdings, soweit der Antragsgegner erreichen will, dass der von ihm angeordnete Sofortvollzug des Ruhens der Approbation uneingeschränkt bestätigt wird.

Mit insgesamt überzeugenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, hat das Verwaltungsgericht unter eingehender Auswertung der zur Zeit gegebenen Gutachtenlage einerseits zwar angenommen, dass die auf eine gesundheitliche Ungeeignetheit des Antragstellers zur Ausübung des Arztberufes gestützte Anordnung des Ruhens der Approbation (§§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist; andererseits hat es jedoch im Grundsatz zutreffend den Standpunkt vertreten, dass konkreten Gefährdungen Dritter bei einer weiteren Berufsausübung des Antragstellers während der Zeit der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (und der Klage) dadurch hinreichend entgegengewirkt werden kann, dass die vorläufige Weiterausübung des Arztberufes in freier Praxis von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wird Seite 3 letzter Absatz bis Seite 10 zweiter Absatz des angefochtenen Beschlusses.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hervorgehoben, dass der Antragsgegner für die Vergangenheit keinen Fall einer konkreten Gefährdung eines Patienten dargelegt hat. Für die Beschwerdeinstanz ergeben sich diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse. Gerade diesem Umstand konkreter Patientengefährdung kommt aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Eingriffen in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), wie sie mit der Anordnung des Ruhens der Approbation sowie der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden sind, erhebliche Bedeutung zu

vgl. dazu neben der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung die speziell für den Fall der Anordnung des Ruhens der Approbation ergangene (neuere) Entscheidung des BVerfG vom 12.03.2004 – 1 BvR 540/04 –, NVwZ – RR 2004, 545.

Sind nach den Gegebenheiten konkrete Gesundheitsgefahren für die Vergangenheit nicht belegt, so kann dennoch nach derzeitiger gutachterlicher Erkenntnislage eine Patientengefährdung aufgrund einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung des Antragstellers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 BÄO) nicht umfassend ausgeschlossen werden. Dieser Gefährdung von Patienten kann indes durch die neben den bereits vom Verwaltungsgericht formulierten nunmehr im Beschlusstenor zusätzlich festgelegten Bedingungen ausreichend begegnet werden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf die zwar kurze, aus den in der erstinstanzlichen Entscheidung angeführten Gründen aber doch überzeugende ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. L. gemäß Schreiben vom 08.06.2006 wegen der festgestellten kognitiven Störungen eine Pati...

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