Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen der ärztlichen Approbation und Sofortvollzug

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 07.08.2003; Aktenzeichen 1 F 25/03)

 

Tenor

I. Unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. August 2003 – 1 F 25/03 – wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 18. November 2002 ab Zugang dieser Entscheidung unter folgenden Bedingungen wiederhergestellt:

  1. 1. Der Antragsteller unterlässt jedwede ärztliche Behandlung, die wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt ist oder den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf der Grundlage des § 92 SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) erlassenen Richtlinien widerspricht; insbesondere unterlässt er Behandlungen in Form

    1. einer Tryptophanverarmung durch Hämoperfusion mittels Aktivkohlefilter oder TSO-Enzymen,
    2. einer Immunadsorption mittels Plasmapherese,
    3. sonstiger Heilversuche.
  2. 2. Der Antragsteller ist verpflichtet, Ärzten der Zentralstelle für Gesundheitsberufe jederzeit zur Kontrolle seiner ärztlichen Tätigkeit Zutritt zu seinen Praxisräumen und – sofern erforderlich, bei Vorliegen rechtlich gebotener Patienteneinwilligungen – Einsicht in die Patientenunterlagen zu gewähren.

II. Bei einem Verstoß gegen obige Bedingungen wird der mit Bescheid des Antragsgegners vom 22. Juli 2003 angeordnete Sofortvollzug des Ruhens der Approbation wieder wirksam.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

V. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 25.000,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7.8.2003 – 1 F 25/03 – ist nach den im Entscheidungstenor enthaltenen Maßgaben teilweise begründet.

Der Senat hat gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht (lediglich) zu überprüfen, ob die behördlicherseits am 22.7.2003 im öffentlichen Interesse angeordnete sofortige Vollziehung der das Ruhen der Approbation des Antragstellers beinhaltenden Verwaltungsentscheidung in rechtmäßiger Weise, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt ist. Vielmehr hat er unter wenn auch schon vertiefter, so gleichwohl summarischer Vorausbeurteilung der Hauptsache eine eigene, dem richterlichen Ermessen überantwortete und das Rechtsverhältnis gestaltende (vgl. dazu § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO) Interessenabwägung vorzunehmen vgl. dazu u.a. Beschluss des 2. Senats des hiesigen OVG vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 –, SKZ 2002, 153 (Leistsatz).

Nach dem maßgeblichen derzeitigen Erkenntnisstand ist zwar nicht offensichtlich, spricht aber Überwiegendes dafür, dass das gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wegen des gegen den Antragsteller eingeleiteten Strafverfahrens angeordnete Ruhen seiner Approbation bei einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Davon ist das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss unter zulässiger Bezugnahme (§ 117 Abs. 5 VwGO) auf die eingehend und sorgfältig begründeten Verwaltungsentscheidungen, nämlich den Ausgangsbescheid vom 3.9.2002, den Widerspruchsbescheid des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 18.11.2002 und die mit Bescheid des Antragsgegners vom 22.7.2003 erfolgte Anordnung des Sofortvollzugs, zu Recht ausgegangen. Insbesondere der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 7.7.2003 (10 Js 1555/00) und dem darin zusammengefassten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen (Seiten 9 – 42 der Anklageschrift), das maßgeblich durch zwei – bisher nur vorliegende – (Teil-) Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 geprägt ist, kommt derzeit, auch wenn der Antragsteller das nicht so sehen will, erhebliches Gewicht bei der Beurteilung seiner Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu. Der Hauptvorwurf geht nach Einschätzung des Senats dabei dahin, dass der Antragsteller Krebspatienten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Therapie beziehungsweise einem von der Schulmedizin nicht anerkannten Therapieversuch unterzogen hat, ohne sie zuvor in dem fallbezogen gebotenen Umfang über die Risiken, Belastungen und realistischen Erfolgschancen der beabsichtigten Behandlung aufzuklären vgl. zum Umfang der Aufklärungspflicht bei „austherapierten” Krebspatienten u.a. OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2001 – 3 U 197/00 –, NJW 2002, 307 = VersR 2001, 895; vgl. zum Selbstbestimmungsrecht – auch und gerade – eines lebensbedrohend erkrankten Patienten über das „Ob, Wie und Wann” ärztlicher Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit als Ausfluss der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Urteil des 6. Senats des hiesigen OVG vom 28.9.2000 – 6 R 1/99 –, Seite 44, SKZ 2001, 1...

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