Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für Erteilung der Niederlassungserlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Anforderung der Eigensicherung des Lebensunterhalts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) für den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis kann nicht deswegen abgesehen werden, weil der Ausländer oder die Ausländerin durch die Pflege ihrer schwer behinderten Tochter an der Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert ist. Die Ausnahmevorschrift in § 9 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Satz 3 AufenthG sieht diese Möglichkeit nur vor, wenn der Ausländer die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG wegen einer bei ihm selbst vorliegenden körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.

2. Dass der Gesetzgeber insoweit erkrankte beziehungsweise behinderte Personen ausländerrechtlich besser stellt als sie betreuende Familienmitglieder ist auch am Maßstab höherrangigen Rechts nicht zu beanstanden.

3. Hinsichtlich des Merkmals eines die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis rechtfertigenden gesicherten Lebensunterhalts enthält § 9 Abs. 2 AufenthG eine gegenüber § 5 Abs. 3 AufenthG hinsichtlich der allgemeinen Vorschrift für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in § 5 Abs. 3 AufenthG abschließende Sonderregelung.

4. Die sich aus § 9 Abs. 2 AufenthG ergebenden Anforderungen sind aufgrund der Verweisung in § 26 Abs. 4 AufenthG auch zugrunde zu legen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer den Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis aus der langjährigen Innehabung eines Aufenthaltstitels aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (§§ 22 ff. AufenthG) herleiten möchte.

 

Normenkette

AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Sätze 6, 3, § 5 Abs. 3, § 26 Abs. 4

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 19.11.2007; Aktenzeichen 6 K 58/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 19. November 2007 – 6 K 58/06 – wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Die nach eigenen Angaben 1975 im Libanon geborene Klägerin reiste im Jahre 1981 gemeinsam mit ihren Eltern und mehreren Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie hält sich seitdem hier auf. Asylverfahren blieben erfolglos. Nach Aktenlage wurde der Klägerin erstmals im Jahre 1993 eine in der Folge mehrfach, zuletzt im Jahre 2003 bis zum 28.8.2005 verlängerte Aufenthaltsbefugnis nach dem damaligen Ausländergesetz erteilt.

Die Klägerin lebt mit dem 1973 geborenen und sich seit 1990 in Deutschland aufhaltenden Herrn J S, dem Kläger des beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahrens 10 K 65/07, zusammen. Sie ist nach ihrer Aussage mit Herrn S verheiratet und hat mit ihm vier zwischen 1994 und 2002 geborene gemeinsame Kinder.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Saarbrücken (vgl. LG Saarbrücken, Beschluss vom 14.9.2001 – 5 T 449/01 –, Seiten 165 ff. der Ausländerakte) in einem personenstandsrechtlichen Verfahren haben die Klägerin und Herr S im Oktober 1993 in Gladbeck eine religiöse Heirat vorgenommen. Bemühungen um eine Eheschließung nach deutschem Recht blieben erfolglos, da Aufgebots- und Eheschließungsanträge wegen Nichtvorlage von Personenstandsurkunden beziehungsweise wegen Vorlage gefälschter Dokumente abgelehnt wurden. Im März 2000 erfolgte daraufhin eine Heirat in Arhus/Dänemark, wobei nach Auskunft des dortigen Standesamts lediglich die Vorlage eines Passes oder eines Personalausweises erforderlich war. Anträge auf Anlegung eines Familienbuches durch das deutsche Standesamt auf dieser Grundlage blieben ebenfalls erfolglos.

Am 1.2.2005 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, wobei sie unter anderem angab, ihren Lebensunterhalt aus Unterhaltszahlungen durch den „Ehegatten” und durch den Bezug von „Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe” zu bestreiten. Ferner legte sie einen Schwerbehindertenausweis für die jüngste, 2002 geborene Tochter S vor, in dem für das Mädchen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % ausgewiesen ist.

Den Antrag lehnte die damals zuständige Ausländerbehörde beim Landkreis A-Stadt durch Bescheid vom 8.3.2005 ab. Zur Begründung heißt es darin, durch einen lang währenden und anhaltenden Bezug von Sozialhilfeleistungen sei der Lebensunterhalt der Klägerin und ihrer Familie nicht gesichert. Ferner sei durch aufwändige und langwierige polizeiliche Ermittlungen inzwischen aufgedeckt worden, dass der Vater der Klägerin türkischer Staatsangehöriger sei. Da sich die Staatsangehörigkeit der Klägerin von diesem ableite, müsse unterstellt werden, dass sich die Klägerin durch fehlende Mitwirkung ihren ausländerrechtlichen Pflichten zu entziehen versuche und nicht gewillt sei, zur Klärung ihrer Staatsangehörigkeit beizutragen.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbes...

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