Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Fahrerlaubnisentziehung. Eignungsmangel. Untersuchungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Anforderung einer fachärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der Fahreignung muss sich auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde, was auf der anderen Seite ausschließt, jeden Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutet, als hinreichenden Grund für die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens anzusehen.
Normenkette
FeV § 11 Abs. 2 Sätze 1-2, § 46 Abs. 3
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 28.10.2005; Aktenzeichen 3 K 396/05) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. Oktober 2005 – 3 K 396/05 – wird dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Verpflichtung zur Ratenzahlung gewährt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss führt zur Bewilligung der vom Kläger beantragten Prozesskostenhilfe, denn die Voraussetzungen der §§ 166 VwGO, 114 ZPO sind erfüllt.
Der Kläger ist ausweislich des vorgelegten Bescheids der ARGE Neunkirchen vom 10.6.2005 betreffend die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), wonach die ihm monatlich zustehenden Leistungen für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 31.12.2005 auf 395,75 Euro festgesetzt wurden, nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise aufzubringen, und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet seine Rechtsverfolgung die in § 114 ZPO vorausgesetzte hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die vom Verwaltungsgericht auf die in den vom Kläger angefochtenen Verwaltungsentscheidungen dargelegten Gründe gestützte Verneinung einer hinreichenden Erfolgsaussicht kann nicht überzeugen.
In dem Bescheid vom 15.12.2004, der durch den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 28.7.2005 bestätigt wurde, hat der Beklagte die an den Kläger gerichtete Aufforderung, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, damit begründet, dass anlässlich einer Mitteilung der Polizei A-Stadt Tatsachen bekannt geworden seien, die berechtigte Zweifel an der uneingeschränkten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Nach Bekunden der Polizei in A-Stadt sei im Rahmen einer Untersuchung festgestellt worden, dass beim Kläger „eine Persönlichkeitsstörung mit derzeit depressiver Reaktion und Alkoholmissbrauch” vorliege. Das Gesundheitsamt Neunkirchen, das zur Klärung der Eignungszweifel mit einer amtsärztlichen Untersuchung des Klägers beauftragt worden sei, welcher sich der Kläger – nach vorangegangener behördlicher Aufforderung – freiwillig unterzogen habe, habe unter Hinweis auf eine „bekannte Persönlichkeitsstörung” vor Abgabe eines abschließenden Urteils die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie für erforderlich gehalten. Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers wurde in den Verwaltungsentscheidungen sodann ausschließlich damit begründet, dass der Kläger sich der von der Amtsärztin für erforderlich gehaltenen psychiatrischen Begutachtung nicht unterzogen habe.
Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass aufgrund des behördlicherseits angenommenen Sachverhalts berechtigte Zweifel an der Fahreignung des Klägers vorlagen, die aus Rechtsgründen einen hinreichenden Grund für das Verlangen einer (fachärztlichen) psychiatrischen Untersuchung ergaben.
Nach gefestigter Rechtsprechung muss sich die Anforderung einer fachärztlichen Untersuchung auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde, was es auf der anderen Seite ausschließt, jeden Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutet, als hinreichenden Grund für die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens anzusehen. Mithin müssen einer Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen. Die Anordnung einer (fach-)ärztlichen Untersuchung ist im hier gegebenen Regelungsbereich in verfassungsrechtlicher Sicht nur dann rechtmäßig, wenn sie anlassbezogen verhältnismäßig ist; das gebietet das verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 24.6.1993, BVerfGE 89, 69 (85 f.) = NJW 1993, 2365, vom 20.6.2002, NJW 2002, 2378, und vom 8.7.2002, NJW 2002, 2381; BVerwG, Urteil vom 5.7.2001, NJW 2002, 78 (79).
Neben diesen materiell-rechtlichen Maßstäben im Hinblick auf berechtigte Zweifel an der Fahreignung muss die Untersuchungsaufforderung auch gewisse Mindestanforde...