Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Hinreichende Erfolgsaussichten einer Klage, mit der die Anerkennung eines triftigen Grundes für den Rücktritt von einer Prüfung begehrt wird
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe, mit der die Anerkennung einer Erkrankung während der Prüfungsvorbereitungen als triftiger Grund für die Nichtteilnahme an Fachprüfungen der Diplomprüfung im Fach Betriebswirtschaftslehre begehrt wird.
Normenkette
VwGO § 166; ZPO § 114 S. 1, § 127 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 14.11.2005; Aktenzeichen 1 K 44/05) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. November 2005 – 1 K 44/05 – wird dem Kläger ab dem 15. Juli 2005 Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt.
Die aus dem Einkommen des Klägers bis zu einer Höchstzahl von 48 Monatsraten aufzubringende monatliche Rate wird auf 15,– EUR festgesetzt.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt Dr. Z., B-Straße, B-Stadt, zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.
Gründe
Der gemäß den §§ 166 VwGO, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaften und auch sonst zulässigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 14.11.2005, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, dem Kläger für seine am 13.7.2004 erhobene Klage Prozesskostenhilfe unter Beigeordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, ist nach Maßgabe des Entscheidungstenors zu entsprechen.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger, der noch keinen konkreten Klageantrag formuliert hat, das Ziel, ihm einen triftigen Grund für den „Rücktritt” von den auf den 8.4.2004, den 14.4.2004 und den 15.4.2004 anberaumten (Wiederholungs-)Fachprüfungen in den Fächern „Steuerarten und Unternehmungsbesteuerung”, „Informationsmanagement II” und „Kreditvergabeentscheidungen in Banken” im Diplom-Studiengang Betriebswirtschaftslehre an der Universität des S. zuzubilligen und die Bewertung dieser von ihm nicht abgelegten Fachprüfungen mit „nicht ausreichend (5,0)” aufzuheben.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann diesem Begehren die gemäß den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Verständnis der letztgenannten Bestimmung bietet, ist in Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zum Beispiel Beschlüsse vom 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – E 81, 347, und vom 4.2.1997 – 1 BvR 391/93 –, NJW 1997, 2102, jeweils zitiert nach Juris, der der Senat folgt, davon auszugehen, dass mit dem Institut der Prozesskostenhilfe dem aus den Art. 3 GG und Art. 20 GG abzuleitenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes Rechnung getragen werden soll. Da der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleich gestellt zu werden braucht, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt, ist es zum einen im Ansatz unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Denn dadurch würde der Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt, Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Da das Ziel der Prozesskostenhilfe danach darin besteht, Unbemittelten den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz zu eröffnen, und nicht darin, diesen Rechtsschutz vorweg zu nehmen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu führen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Bewilligungsverfahren vorzuverlagern und bereits auf dieser Ebene schwierige Tat- und Rechtsfragen zu beantworten.
Hiernach setzt hinreichende Erfolgsaussicht zwar einerseits nicht voraus, dass der Prozesserfolg nach dem Ergebnis einer überschlägigen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren schon gewiss ist; andererseits darf Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn der Erfolg des Begehrens im Hauptsacheverfahren zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist, BVerfG, Beschlüsse vom 13.3.1990 und vom 4.2.1997 – jeweils a.a.O. –
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist dem Verwaltungsgericht zwar im Ergebnis darin beizupflichten, dass die Erfolgsaussichten des Begehrens des Klägers in der Hauptsache nicht allzu günstig stehen. Die abschließende Beurteilung der Klage wirft jedoch Fragen der Anerkennung triftiger Gründe für einen Rücktritt von Prüfungen sowie des Umfanges und der Grenzen der Mitwirkungspflicht eines Prüfungskandidaten bei der Geltendmachung derartiger Gründe auf, die nur auf der Grundlage einer umfassenden, die Umstände des Einzelfalles so...