Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Gewährung einer monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung einer monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer gemäß § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG setzt eine Haftdauer von insgesamt sechs vollen Monaten voraus, unabhängig davon, ob eine oder mehrere Haftzeiten vorliegen.
2. Da die sechsmonatige Mindesthaftdauer nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, ist für deren Berechnung die auch im öffentlichen Recht sinngemäß anwendbare Regelung des § 191 BGB heranzuziehen; die Berechnungsmethode nach § 191 BGB erfordert insoweit eine taggenaue Ermittlung der tatsächlich verbüßten Haftzeit(en).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2, §§ 191, 193; SVwVfG § 31 Abs. 1; StPO § 43; StrRehaG § 1 Abs. 5, § 2 Abs. 1, §§ 12, 14 Abs. 1, §§ 15, 17 Abs. 1, § 17a Abs. 1 S. 1, §§ 19, 25 Abs. 2; HHG § 1 Abs. 1, 3, § 10 Abs. 4
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR.
Mit formlosem Schreiben vom 28.8.2007, ergänzt durch Formblattantrag vom 26.10.2007 beantragte die am … in Dresden geborene Beigeladene beim Amt für soziale Angelegenheiten des Beklagten die Gewährung einer monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR nach § 17a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG). Ihrem Antrag beigefügt war eine vom saarländischen Minister für Arbeit und Sozialwesen unter dem 9.9.1964 ausgestellte Bescheinigung Nr. 237 nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG), ausweislich der sich die Beigeladene in dem Zeitraum vom 5.8.1961 bis zum 3.2.1962 in politischem Gewahrsam im Sinne des § 1 Abs. 1 und 3 HHG in den Gefängnissen Magdeburg, Halle und Eisenach/SBZ befunden hat.
Nachdem der Beigeladenen auf ihren Antrag vom 8.11.2007 mit Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten des Beklagten vom 14.11.2007 für den mit Bescheinigung Nr. 237 nach § 10 Abs. 4 HHG nachgewiesenen Gewahrsamszeitraum eine Kapitalentschädigung nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 StrRehaG in Höhe von insgesamt 2.147,46 EUR gewährt worden war, bat das Amt für soziale Angelegenheiten des Beklagten das frühere Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Schreiben vom 28.11.2007 um Klärung der Fragen, ob die Beigeladene aufgrund der ihr bescheinigten 183 Hafttage Anspruch auf die sog. Opferrente nach § 17a StrRehaG habe beziehungsweise ob eine Änderung oder Neuausstellung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG erfolgen könne. Hierzu wurde dargelegt, dass für den Anspruch auf die Opferrente nach § 17a StrRehaG eine mindestens sechsmonatige rechtsstaatswidrige Haft Voraussetzung sei. Die Berechnung dieses Zeitraums erfolge nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 i.V.m. § 191 BGB. Da sich der Gewahrsamszeitraum bei der Beigeladenen ausweislich der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG auf 183 Tage belaufe, wäre die Mindesthaftdauer von einem halben Jahr nach § 191 BGB nur erfüllt, wenn die erlittene Haft auf mehrere Einzelzeiträume entfallen würde. Weil der Haftzeitraum aber nicht unterbrochen sei, wäre die Mindesthaftdauer erst am 4.2.1962 erfüllt. Es werde um Prüfung gebeten, ob diese Auffassung zutreffend sei, beziehungsweise um Bestätigung gebeten, dass vorliegend die 30-Tage-Regelung des § 191 BGB gelte. Aus einer beim Landratsamt Merzig am 22.5.1964 eingegangenen Erklärung der Beigeladenen ergebe sich zudem, dass sie sich bereits einen Tag in Polizeigewahrsam befunden habe, bevor sie in das Untersuchungsgefängnis gebracht worden sei. Dass die Beigeladene vor der eigentlichen Haft noch mindestens einen Tag in Polizeigewahrsam gewesen sei, belege auch ihr Mitgliedsausweis der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. aus dem Jahr 1966, in dem vermerkt sei, dass sie bereits am 3.8.1961 verhaftet worden sei. Für den Fall, dass § 191 BGB keine Anwendung finde, werde um Klärung gebeten, ob die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG wegen des insoweit fehlenden Tages in Polizeigewahrsam zu ändern sei.
Das Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales teilte dem Amt für soziale Angelegenheiten des Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 18.12.2007 mit, der Akte der Beigeladenen lasse sich nicht entnehmen, dass eine unrechtmäßige Freiheitsentziehung im Sinne des HHG beziehungsweise des StrRehaG bereits vor dem 5.8.1961 erfolgt sei. Der vorgelegte Mitgliedsausweis der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. könne weder als Beleg noch als amtlicher Nachweis Grundlage für einen anderen als den mit der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG festgestellten ...