Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblich für die besondere Zuwendung an Haftopfer sind die tatsächlich verbüßten Haftzeiten. Rehabilitierung und Entschädigung zu unrecht verbüßter Haftzeiten
Normenkette
BGB § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2, § 191; StrRehaG § 1 Abs. 5; StrEG § 7 Abs. 3; StrRehaG § 12 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 17a; StrRehG § 18 Abs. 1; StrRehaG §§ 19, 25 Abs. 2; HHG § 1 Abs. 1, 3, § 10 Abs. 2, 4; VwVfG § 31; AGVwGO § 16 Abs. 5, § 17a; SVwVfG § 31 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, falls der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladenen eine Besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17a des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet – Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – (im Folgenden: StrRehaG), zukommt. Danach erhalten eine Entschädigung Betroffene, deren strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 08.05.1945 bis zum 01.10.1990 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben wurde (Rehabilitierung). Nach § 16 Abs. 1 StrRehaG begründet die Rehabilitierung einen Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen für Nachteile, die dem Betroffenen durch eine Freiheitsentziehung entstanden sind. So wird nach § 17 StrRehaG eine Kapitalentschädigung gezahlt und erhalten nach § 17a StrRehaG Berechtigte nach § 17 Abs. 1 StrRehaG, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, auf Antrag eine monatliche Zuwendung für Haftopfer, wenn sie eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens sechs Monaten erlitten haben. Die monatliche besondere Zuwendung für Haftopfer beläuft sich auf 250,00 EUR. Nach § 25 Abs. 2 StrRehaG werden die Leistungen nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG auch Personen gewährt, die – wie die Beigeladene – eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz (im Folgenden: HHG) erhalten haben
1. für einen Gewahrsam, der auf einer Verurteilung durch ein deutsches Gericht oder auf einer der in § 1 Abs. 5 StrRehaG genannten strafrechtlichen Maßnahmen beruht, wenn diese Bescheinigung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt worden ist, oder
2. weil sie im Zusammenhang mit der Errichtung oder Aufrechterhaltung der kommunistischen Gewaltherrschaft im Beitrittsgebiet dort ohne Verurteilung durch ein deutsches Gericht oder ohne eine der in § 1 Abs. 5 StrRehaG genannten strafrechtlichen Maßnahmen in Gewahrsam genommen oder in Gewahrsam gehalten wurden.
Für die Gewährung der Leistungen nach den §§ 17, 17a und 19 StrRehaG an solche Berechtigte sind ausschließlich die in § 10 Abs. 2 HHG bestimmten Stellen zuständig. Über Streitigkeiten bei der Anwendung entscheidet das Verwaltungsgericht.
Am 29.08.2007 beantragte die Beigeladene beim zuständigen Beklagten – Amt für Soziale Angelegenheiten (im Folgenden: Ausgangsbehörde) – formlos Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und fügte die Bescheinigung “Nr. 237” vom 09.09.1964 nach § 10 Abs. 4 HHG bei, wonach sie vom 05.08.1961 bis 03.02.1962 in politischem Gewahrsam im Sinne des § 1 Abs. 1 u. 3 HHG gewesen sei. Daraufhin wurde der Beigeladenen durch Bescheid vom 14.11.2007 eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG gewährt. Hinsichtlich der begehrten besonderen Zuwendung für Haftopfer gem. § 17a StrRehaG legte die Ausgangsbehörde der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Kläger, die Frage vor, ob die Mindesthaftdauer erfüllt sei. Dazu ist ausgeführt, für den Anspruch auf die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG sei Voraussetzung eine mindestens sechsmonatige rechtsstaatswidrige Freiheitsentziehung. Die Berechnung des Zeitraums erfolge dabei nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB i. V. m. § 191 BGB. Laut Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG vom 09.09.1964 belaufe sich der Gewahrsamszeitraum auf 183 Tage. Wäre die erlittene Freiheitsentziehung auf mehrere Einzelzeiträume entfallen, dann wäre auf Grund des § 191 BGB die Mindesthaftdauer erfüllt. Weil der Haftzeitraum aber nicht unterbrochen sei, würde die Mindesthaftdauer erst am 04.02.1962 erfüllt sein. Es werde um Prüfung gebeten, ob diese Auffassung zutreffend sei bzw. um Bestätigung, dass vorliegend die 30-Tageregelung des § 191 BGB gelte. Falls dies nicht der Fall sein sollte, werde um Erläuterung gebeten, für welche Fälle § 191 BGB anzuwenden sei.
Darauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 18.12.2007 der Ausgangsbehörde mit, für die Anspruchsvoraussetzung einer mindestens...