Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen. falsa demonstratio non nocet im Baurecht. Zuordnungsfestsetzung nach § 8 a BNatSchG. Sammelzuordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vor der Überführung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das BauGB beschlossene Zuordnungsfestsetzung nach § 8 a BNatSchG wird nicht deshalb unwirksam, weil der betreffende Bebauungsplan erst nach der Rechtsänderung zum 1.1.1998 und damit nach Inkrafttreten des § 9 Abs. 1 a BauGB in Kraft getreten ist. Der Hinweis auf die früher geltende Rechtsnorm des § 8 a BNatSchG im Bebauungsplan stellt lediglich eine unschädliche Falschbezeichnung – entsprechend dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „falsa demonstratio non nocet” – dar.
2. Die Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft können den Eingriffsgrundstücken insgesamt zugeordnet werden (Sammelzuordnung).
3. Auch bei wesentlich unterschiedlichen Eingriffslagen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde in ihrer Satzung allein den Verteilungsmaßstab der zulässigen Grundfläche (§ 135 b Satz 2 Nr. 2 BauGB) bindend vorgibt und die Schwere der zu erwartenden Eingriffe (§ 135 b Satz 2 Nr. 4 BauGB) unberücksichtigt bleibt.
4. § 135 a Abs. 2 BauGB knüpft hinsichtlich der Pflicht zur Kostenerstattung allein an die formale (dingliche) Eigentümerstellung an. Maßgeblich ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides im Grundbuch als Eigentümerin oder Eigentümer eingetragen ist (§ 8 Abs. 8 Satz 1 KAG entsprechend).
5. Für das Schriftformerfordernis des § 57 SVwVfG genügt es nicht, wenn die Beteiligten in einem Schriftwechsel bestätigen, dass ein mündlicher Vertrag geschlossen wurde. Erforderlich ist, dass die ausgetauschten Erklärungen unmissverständlich als Vertragsangebot und als dessen Annahme zu verstehen sind (vgl. Niedersächsiches OVG, Beschluss vom 26.5.2008 – 1 ME 112/08 –, NJW 2008, 2520).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; VwGO § 124a Abs. 3 S. 4; BauGB § 1a Abs. 3, § 9 Abs. 1a, § 135a Abs. 2, 3 S. 2, Abs. 4, § 135b S. 2, § 135c Nr. 4, § 243 Abs. 2; BauNutzVO § 19 Abs. 2; BauNVO § 23; AO § 254 Abs. 1; SVwVfG § 57; KSVG § 62 Abs. 1; BNatSchG § 8a; BNatSchG a.F § 8a; BNatSchG § 19; KAG § 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 6 S. 1, Abs. 8 S. 1, § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Gerichtsbescheid vom 12.11.2007; Aktenzeichen 11 K 771/07) |
Tenor
Unter teilweiser Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. November 2007 – 11 K 771/07 – wird die Klage gegen die in den Bescheiden des Beklagten vom 16. Oktober 2003 enthaltenen Festsetzungen von Kostenerstattungsbeträgen in der Gestalt des auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2005 ergangenen Widerspruchsbescheides abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens fallen – mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben – der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin dreier Grundstücke in der Kreisstadt Saarlouis (Gemarkung L., Flur …, Flurstücke …/38, …/37 und …/36), die sie treuhänderisch von den Beigeladenen erworben hat und zu deren Rückübertragung sie verpflichtet ist. Die Grundstücke, die jedenfalls bis 1999 teilweise als Garten genutzt wurden und ansonsten brach lagen, liegen im Geltungsbereich des am 19.03.1998 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Im Hader”. Darin sind die Grundstücke als Gewerbegebiet ausgewiesen. Ein daran angrenzendes, ebenfalls von dem Bebauungsplan erfasstes Sondergebiet dient der Unterbringung eines großflächigen Einrichtungshauses „…”) und sonstiger Einzelhandelsbetriebe. Durch die Errichtung dieses Einrichtungshauses wurde ein landesweit kartiertes Biotop zerstört. Ein an das Sondergebiet anschließender Bereich ist im Bebauungsplan als Ausgleichsfläche/Entwicklung eines Feuchtgebiets vorgesehen. Dort führte der Beklagte zum Ausgleich der durch den Bebauungsplan hervorgerufenen Eingriffe in Natur und Landschaft eine Biotopverlagerung bzw. Neuanlage eines ähnlich strukturierten Biotops durch. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ist u.a. bestimmt:
„8. Zuordnungsfestsetzung nach § 8a BNatSchG
Alle grünordnerischen Festsetzungen nach Nr. 5 und 7 außerhalb der GE- und SO-Flächen gelten als Ausgleichsmaßnahmen und werden insgesamt den überbaubaren Grundstücksflächen zugeordnet.”
Dem Bebauungsplan gingen Verhandlungen zur Erschließung des Gebietes „Im Hader” voraus. Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 10.08.1995, dass der hierfür notwendige Grunderwerb gemeinsam von der Kreisstadt Saarlouis und der Klägerin durchgeführt werden solle. Die Beigeladenen besaßen Grundstücke im Bereich des Sondergebietes, das für die Firma … vorgesehen war. Sie verlangten, dass im Gegenzug für den Verkauf der ihnen gehörenden Flächen im Bereich des Sondergebietes weitere Grundstücke aus ihrem Eigentum in das Gewerbegebiet einbezogen werden müssten. Daraufhin erwarb die Klägerin von den Beigeladenen mit notariellem Umlegu...